Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 85

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13.37

Abgeordneter Rudolf Parnigoni (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich halte fest, dass sich die Sozialdemokraten an und für sich dem Grundgedanken des vorliegenden Entwurfs, nämlich dass man die Strafprozessordnung den Ansprüchen einer modernen Gesellschaft anpasst, in keinster Weise verschlossen haben und das immer als eine wichtige Aufgabe gesehen haben. Über die parlamentarische Beratung kann man unterschiedlicher Meinung sein. Wir glauben, dass sie nicht das gebracht hat, was notwendig gewesen wäre. Uns ist etwa die Erörterung wesentlicher verfas­sungsrechtlicher Fragen viel zu kurz gekommen und da vor allem etwa die Verlagerung der Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden. Diesbezüglich bedauern wir sehr, dass es seitens der Regierungsparteien abgelehnt worden ist, gerade dieses Weisungsrecht vom Minister weg zu einer unabhängigen Bundesstaats­anwaltschaft oder Generalprokuratur zu legen.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie ein völlig falsches Herangehen an diese Heraus­forderungen gewählt und damit legistische Fortschritte im Keim erstickt haben. Im Übrigen halte ich fest, dass dieses Ergebnis für alle Experten – und das kann ich sagen im Gegensatz zu meinem Vorredner, der sich ja nicht im Ausschuss befunden hat und auch nicht im Unterausschuss –, die sich sehr kritisch mit dem Ergebnis aus­einander gesetzt haben ... (Zwischenruf des Abg. Wittauer.) – Du warst übrigens auch nicht im Unterausschuss und auch nicht im Ausschuss und hast daher auch nur von etwas geredet, von dem du keine Ahnung gehabt hast, lieber Kollege Wittauer.

Meine Damen und Herren! Für mich als Sicherheitssprecher der SPÖ ist aber das Ausmaß des drohenden Chaos, des absehbaren Chaos Besorgnis erregend, denn durch den eklatanten Mangel an Staatsanwälten im Bereich des Ermittlungsverfahrens wird es zu einem solchen kommen. Bislang war ja die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Exekutive bestens und in Ordnung. Die gravierenden Änderungen des Ent­wurfs, anstelle eines unabhängigen Untersuchungsrichters einen weisungsgebunde­nen Staatsanwalt treten zu lassen und ihm für den gesamten Zeitraum des Vor­verfahrens die rechtliche Gesamtverantwortung zu geben, bringt eine Brisanz deshalb mit sich, weil es die notwendige Zahl an Staatsanwälten einfach nicht gibt. Es fehlen in unserem Land unzählige Staatsanwälte. Durch das Personalkürzungsprogramm der Regierung fehlen gleichzeitig auch Tausende Exekutivbeamte. Vor allem bei der kriminalpolizeilichen Tätigkeit stellen wir fest, dass diese durch die Ressourcen- und Personalknappheit erheblich behindert ist.

Das Ergebnis nach dieser so genannten Reform sieht so aus: Eine ausgedünnte und unter schlechten Arbeitsbedingungen leidende Kriminalpolizei steht den Partnern einer Staatsanwaltschaft gegenüber, die ebenfalls unter großem Personalmangel leiden wird. Man kann sich natürlich lebhaft ausmalen, meine Damen und Herren, was diese doppelt unsägliche Konstellation in der Praxis bringen wird. Das wird dazu führen, dass die zu wenigen Exekutivbeamten auch noch zu wenige Ansprechpartner in der Staats­anwaltschaft haben werden.

Das wird Auswirkungen auf die Bevölkerung haben, meine Damen und Herren, das ist überhaupt keine Frage. Es ist absehbar, dass die Effizienz der Ermittlungstätigkeit absinken wird, und das geht wiederum zu Lasten der Bevölkerung, der Öster­reicherinnen und Österreicher, die sowieso schon unter der Rekordarbeitslosigkeit und vor allem unter der Rekordkriminalität von über 650 000 Delikten und einer Aufklä­rungs­quote, die sich deutlich unter 40 Prozent bewegt, zu leiden haben.

Meine Damen und Herren! Durch den Umstand, dass es zu wenige Staatsanwälte geben wird, die Ermittlungen anordnen oder auch beaufsichtigen, wird die Strafver­fol­gung erheblich erschwert, die Aufklärungsquote wird absinken, die Zahl der tatsächlich


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