Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 113

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Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich Herr Bundesminister für Justiz Dr. Böhmdorfer zu Wort gemeldet. Herr Bundesminister, Ihre Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. Ich schalte Ihnen das Lämpchen ein. – Bitte.

 


15.18

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Diese Anfrage hat tatsächlich ei­nen wunden Punkt in der österreichischen Rechtslandschaft getroffen. Ich bin dankbar dafür, dass Frau Abgeordnete Dr. Partik-Pablé dies, wie unter Juristen auch üblich, mit konkreten Beispielen untermauert hat, gerade um die Dramatik zu verdeutlichen.

Ich werde diese Anfrage beantworten und nehme an, dass dann in der Debatte noch das eine oder andere Thema auftreten wird. Tatsache ist, dass das Justizministerium versucht, die gesamte Problematik zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Zum Teil sind bereits Maßnahmen getroffen worden.

Zur Frage 1:

„Wie beurteilen Sie die derzeit geltenden Regelungen über die straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit für gefährliche Betriebe und Anlagen?“

Darauf kann ich nur im Sinne der Begründung der Anfrage sagen: sicherlich unzu­reichend! Es gibt eine allgemeine Gefährdungshaftung für gefährliche Betriebe im zivilrechtlichen Bereich, doch sind viele Detailfragen offen. Ich nenne einen Vergleich: Ein Moped, das nur mit 40 km/h fahren darf, gilt als Kraftfahrzeug, deshalb als „gefähr­licher Betrieb“ – unter Anführungszeichen – und unterliegt dem Eisenbahn- und Kraft­fahrzeughaftpflichtgesetz. Wenn aber ein Mountainbiker mit 70 oder 80 km/h den Berg hinunterradelt, gelten ähnliche Vorschriften für ihn nicht – ebenso wenig für Snow­boarder oder für Schifahrer.

Dieses kleine Beispiel an sich zeigt schon, dass die gesetzliche Regelung mit der mittlerweile stattgefundenen gesellschaftlichen Entwicklung nicht mehr in Einklang zu bringen ist.

Wir haben bereits im Jahr 2000 eine Arbeitsgruppe im Justizministerium unter Leitung von Herrn Professor Dr. Koziol ins Leben gerufen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das gesamte Schadenersatzrecht zu überarbeiten.

Im Strafrecht gibt es – wie dargelegt – noch keine Haftung juristischer Personen. Wir streben diese an; wir könnten in wenigen Wochen oder Monaten damit legistisch fertig sein und in den parlamentarischen Prozess eintreten.

Insgesamt gibt es also sowohl im zivilrechtlichen als auch im strafrechtlichen Bereich unbedingt Regelungsbedarf. Das Gesetz wurde zu einer Zeit geschrieben, als man Häuser noch als gefährliche Betriebe einstufte und eine Erfolgshaftung für den Fall regelte, dass von einem Dach ein Ziegel herunterfällt. Später hat man dann das Eisen­bahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz eingeführt. Aber für mittlerweile wesentlich gefährlichere Betriebe, wie zum Beispiel für Spitäler, gibt es keine Sonderregeln. Was den Betrieb in Spitälern anbelangt, so gilt dort noch immer die Verschuldenshaftung. Man wird als Kläger nur durchdringen können, wenn man dem Arzt mangelnde Aufklä­rung nachweist – die unbefriedigende Antwort sind die Reverse, die unterschrieben werden müssen – oder wenn ein Verschulden des Arztes aus anderen Gründen vorliegt, wenn er zum Beispiel eine Operation nicht lege artis durchgeführt hat. – Das ist das eine, das ist sicherlich unbefriedigend.

Es gibt zum überwiegenden Teil keinen Ersatz für immaterielle Schäden. Durch den Druck der EU bekommen Sie jetzt, wenn Ihnen im Urlaub etwas widerfährt, was Sie


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