Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 58. Sitzung / Seite 63

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Nun muss ich schon eines fragen: Wenn in der Bevölkerung der EU-15 so viele Sor­gen, Ängste, teilweise Ressentiments und größtenteils unberechtigte Ängste überwie­gen, wer trägt jetzt dafür die Verantwortung, Herr Kollege Molterer? Sind es wieder einmal die Oppositionsparteien, die daran schuld sind? – In einem Bereich würde ich sogar sagen, es ist zwar nicht die Oppositionspartei SPÖ, aber es sind die Gewerk­schaften und die Kammern nicht unbeteiligt daran, dass Sorge herrscht bei der Be­völkerung wegen der Aussage, dass es eine Überschwemmung des heimischen Arbeitsmarktes in den kommenden sieben Jahren geben werde. Diese Aussage halte ich für einen Unfug. Aber in allen anderen Fällen: Wer ist schuld?

Ich möchte in diesem Zusammenhang aus der letzten Ausgabe der Zeitschrift „The Economist“ zitieren. Dort erschien ein langer Artikel über die EU-Erweiterung. „Three major scare stories“ wurden im Leitartikel genannt, also Geschichten, die Angst und Schrecken bei der Bevölkerung hinsichtlich der EU-Erweiterung erzeugen. Das sind die „migrants“, also die Zuwanderungsfrage, die „transfers“, die Budgetfrage, was denn die neuen Länder kosten, und die „competition“, die Frage des zunehmenden Wett­be­werbs.

Gehen wir das kurz durch! Zunehmenden Wettbewerb aus den Beitrittsländern hätte es ohne formalen Beitritt auch gegeben. (Abg. Mag. Molterer: Nicht in dem Maß!) Nicht so stark, nicht im gemeinsamen Binnenmarkt, aber gegeben hätte es ihn trotzdem. Gott sei Dank! Wettbewerb ist etwas Gutes, auch in der Politik, ich stehe dazu.

Was mich auf die Dauer echt nervt, ist – wie soll ich sagen? – die Perzeption, dass der Wettbewerb etwas Einseitiges ist. Es ist zwar super, wenn die OMV in Rumänien etwas kaufen will oder in Slowenien schon gekauft hat, wenn österreichische Banken, österreichische Versicherungen in Tschechien, Ungarn und Polen jede Menge Markt­anteile erobert haben, ich finde das ausgezeichnet, aber Einbahnstraße ist das keine! Hin und wieder kommt einer, so ein Ausländer, so ein merkwürdiger, und kauft auch bei uns in Österreich eine Firma auf. Vielleicht sollten wir uns langsam daran ge­wöhnen. (Beifall bei den Grünen.)

Übrigens ist das kein rein österreichisches Phänomen. Auch in Deutschland hat es seinerzeit in Niedersachsen einen Aufruhr gegeben, als die Voest, dieser „böse Ein­dringling“ aus dem Süden, versucht hat, dort ein Stahlwerk zu kaufen. (Abg. Großruck: Vranitzky hat es verhindert! Von der WestLB!) Da sind genau die gleichen Ängste vor diesen „rabiaten Kapitalisten“ aus dem Südosten aufgetaucht.

Zur Budgetfrage: Ich denke, kein vernünftiger Mensch in den EU-15 genauso wie in den EU-10 – so nenne ich sie einmal – hat daran Interesse, aus den EU-10 einen Mezzogiorno oder eine Ex-DDR durch permanente, zu hohe, falsch strukturierte „transfers“ zu machen. Niemand! An der Ex-DDR kann man sehr schön beobachten, wie man etwas nicht macht, nicht hätte machen sollen. Aber das ist Schnee von gestern. Das ist klar.

Aber allein das Beispiel suggeriert schon etwas Falsches. Slowenien ist beim Ein­kommen pro Kopf, beim Sozialprodukt pro Kopf, reicher als Griechenland. Auch der Raum um Bratislava boomt, die Einkommen dort sind höher als in vielen Regionen Österreichs.

Sich jetzt darüber zu streiten – das ist wieder nicht Sache der Opposition! Es waren unter anderen unsere Regierungspolitiker, die gesagt haben: Die 1,27 Prozent des BIP, die an das Brüsseler Budget – brutto, bitte! – abgeliefert werden sollen – das ist Vertragslage –, sind uns zu hoch, es soll nur 1 Prozent sein! – Brutto! Ich habe jetzt nicht das abgezogen, was an die österreichische Landwirtschaft und so weiter ohnehin aus dem Brüsseler Budget zurückkommt.

 


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