Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 58. Sitzung / Seite 117

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Maßnahmen, die Sie in Bezug auf Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Konjunkturpolitik setzen, nicht von denen in Deutschland unterscheidet, obwohl Sie Rot-Grün dort immer so stark kritisieren! (Abg. Amon: Wir sind besser!) Und das ist die eigentliche Tragik, meine sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Mag. Molterer: Wen kritisieren Sie jetzt?)

Was wir Ihnen im Bereich der Konjunktur- und Beschäftigungspolitik vorwerfen, ist, dass Sie ausschließlich auf Deregulierung, Flexibilisierung setzen, und das ist das Problem. Wir sehen quer durch Europa, wie weit man mit dieser Politik in anderen Län­dern gekommen ist.

Was wir Ihnen vorwerfen – und dafür ist Bundesminister Bartenstein nicht allein verant­wortlich –, ist, dass Ihnen jegliches Interesse an einer gemeinsamen europäischen Beschäftigungspolitik fehlt, nämlich einer Beschäftigungspolitik, die sich ähnlich wie der Stabilitätspakt an einklagbaren Kriterien, an Sanktionen, an Mechanismen, an Strafen für diejenigen, die sie nicht erfüllen, orientiert.

Ja, warum gibt es im Bereich der Beschäftigungspolitik diese harten Maßnahmen nicht? – Weil Sie sie nicht wollen! Mit „Sie“ – entschuldigen Sie, Kollege Amon! – sind nicht nur ÖVP und FPÖ gemeint, sondern damit sind die europäischen Regierungen gemeint, die in den letzten Jahren zuschauen, wie die Arbeitslosigkeit europaweit von 10 auf 14 Millionen gewachsen ist. Das ist doch kein Erfolgsausweis, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich komme zu einer anderen Ebene. Ich bin sehr dankbar, Kollege Amon, dass Sie das Problem Jugendarbeitslosigkeit angesprochen haben.

Können Sie sich vorstellen – und ich glaube, Kollege Amon, Sie werden mir zu­stimmen –, dass die Jugendlichen auch Vorstellungen über Beschäftigung, über einen Job, über etwas Sinnvolles, das sie machen können, haben und dass denen wenig geholfen ist, wenn ihnen jetzt schon zum wiederholten Mal als einzige Perspektive ein Ausbildungslehrgang angeboten wird?

Können Sie sich vorstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass man sich, wenn man zwei, drei oder vier Jahre Ausbildungslehrgang gemacht hat, vielleicht auch als Jugendlicher fragt: Was gibt es noch für eine Perspektive für mich?

Können Sie sich vorstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass ein Jugend­licher – meinetwegen weil er sich Kfz-Mechaniker in den Kopf gesetzt hat; wir wissen, davon gibt es zu viele – auch Träume, Vorstellungen von einem konkreten Job hat und dass es dem oder der Jugendlichen wenig hilft, wenn man ihnen sagt: Wir haben zwar nicht das, was du machen möchtest, schon gar nicht irgendetwas in dieser Richtung, aber vielleicht bleibt am Arbeitsmarkt wenigstens noch irgendein Job übrig. Und sei’s drum, dass du halt von Wien nach Bregenz pilgern musst. – Das war doch der Vor­schlag auch eines Wirtschaftskammerpräsidenten: Wir haben den Job nicht hier – Jugendlicher, geh nach Bregenz! Tschüss, Familie!

Ist das die Perspektive? Können Sie sich vorstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren – und damit komme ich wieder zu den Kursen zurück –, dass eine Chefsekre­tärin, die 30 Jahre gearbeitet hat, 50 Jahre, 55 Jahre alt ist, in einem Job-Coaching-Kurs gerne noch einmal lernen will, wie sie sich um einen Arbeitsplatz bewirbt? Ist das die Perspektive für diese Frau, dass man ihr, die über Jahrzehnte das Management in einem Betrieb betreut hat, für ihren Chef Termine verwaltet hat, sagt: Du musst jetzt einmal lernen, wie du dich bewirbst!, obwohl sie diejenige war, die alle Kontakte mit ihren Chefs und mit deren Arbeits- und Betriebskollegen und Geschäftspartnern gere­gelt hat? – Das kann es doch nicht sein!

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite