Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll61. Sitzung / Seite 21

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schlecht verhandelt hat. Und das hat sich als richtig herausgestellt, wenn wir nur an den Transitvertrag denken.

Ich war aber auch, wie viele andere damals auch, deswegen dagegen, weil ich der Meinung war, Europa kann und darf nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft bestehen. Wir wollten damit ein klares und deutliches Zeichen setzen, dass Europa mehr ist und mehr sein muss als nur eine wirtschaftliche Gemeinschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben dann die Erfahrung gemacht, dass der Beitritt zur Europäischen Union, den eine Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher begrüßt hat, für Österreich auch viele positive Veränderungen gebracht hat. Ja, so ist es. Wir mussten allerdings auch die Erfahrung machen, dass schon bei der Debatte um den Stabilitätspakt, der als Vorbereitung auf die Europäische Union gedacht war, alle Überlegungen, aus Europa mehr als eine Wirtschafts- und Fiskalgemeinschaft zu machen, wieder vom Tisch waren.

Wir mussten – und da stehen wir jetzt – im Jahr 2004 – wir haben uns sehr darauf gefreut, neue Mitglieder in dieser Europäischen Gemeinschaft begrüßen zu dürfen – feststellen, dass diese Erweiterung der Europäischen Union von Seiten Europas, von Seiten der EU, aber auch von Seiten Österreichs schlecht vorbereitet war und ist, weil es keine umfassende Hilfe für die Erweiterungsländer gegeben hat, weil sich niemand in der Europäischen Union und auch nicht innerhalb dieser Bundesregierung Sorgen darüber gemacht hat, wie wir ohne einen „Marshall-Plan“ für diese Erweiterungsländer zusammenwachsen können. Die Bereitschaft Europas und auch Österreichs, den Erweiterungsländern wirtschaftlich, sozial und politisch zu helfen und aus Europa eine soziale Union zu machen, gibt es nach wie vor nur in einem unzureichenden Ausmaß.

Der Stabilitätspakt – denken Sie nur ein bisschen zurück! – ist ein wichtiges Instrument dieser Europäischen Union. Was charakterisiert diesen Stabilitätspakt? – Es gibt harte, verbindliche Verträge, da kommt man nicht beziehungsweise nur schwer aus, und Sanktionen, messbare Erfolge oder Misserfolge. (Unruhe im Saal.)

Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, hätten uns gewünscht, dass das, was für den Stabilitätspakt gilt, auch für das soziale Europa im gleichen Maße gilt. Wo sind die harten und verbindlichen Kriterien und Sanktionen, wenn es etwa darum gehen sollte, in Europa Vollbeschäftigung zu schaffen? Wo sind sie, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Nichts ist davon sichtbar! Im Bereich Sozial- und Beschäftigungspolitik in Europa gibt es nichts außer unverbindlicher Worte, mit denen in Sonntagsreden immer wieder die Sozialunion in den Mittelpunkt gestellt wird, aber unter der Woche wird hart am Stabilitätspakt gearbeitet und damit das soziale Europa vergessen. (Beifall bei den Grünen.)

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den allge­mei­nen Geräuschpegel niedriger zu halten! Die erste Wiedersehensfreude ist, glaube ich, ausgedrückt – und jetzt bitte ich, dem Redner mehr Aufmerksamkeit zu schenken!

 


Abgeordneter Karl Öllinger (fortsetzend): 56 Millionen Menschen in Europa sind armutsgefährdet. 20 Millionen sind arbeitslos. Natürlich ist diese Zahl auf Grund der Erweiterung gestiegen; wir hatten einmal 10 Millionen Arbeitslose, und das waren auch schon 10 Millionen zu viel. Jetzt gibt es 20 Millionen Arbeitslose in Europa. (Bundes­minister Dr. Bartenstein: 18 Millionen!) – 18 Millionen, sagt der Herr Wirtschafts­minis­ter, aber auch 18 Millionen sind um 18 Millionen zu viel.

Wo, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die verbindlichen Maßnahmen? Wo bemüht sich der Herr Wirtschafts- und Arbeitsminister? Wo bemüht sich die Euro­päische Kommission? Wo bemüht sich der Europäische Rat darum – abgesehen von


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