Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 161

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18.55

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (Freiheitliche): Frau Präsidentin! Frau Staatssek­retärin! Hohes Haus! Diese Enquete hat, wie erwähnt, Gelegenheit gegeben, wieder einmal grundsatzpolitische Argumente auszutauschen. Es hat da sehr interessante Vorträge gegeben, aber auch sehr interessante Debattenbeiträge und Fragen.

Ich beziehe mich auf eine Frage des Abgeordneten Öllinger, die ich für interessant gehalten habe. Sie haben Ihr Statement eingeleitet mit der Frage: Wenn die familien­politischen Maßnahmen, welche die Regierung setzt, so gut sind, warum ist dann die Geburtenrate nicht gestiegen? – Das könnte man jetzt an und für sich schnell beant­worten: Weil demographische Prozesse so komplex sind. Wenn sie einmal gegriffen haben und wenn sie Jahrzehnte im Gang sind, sind sie natürlich nur mehr langsam und ebenso komplex umzustellen. Aber was ich bemerkenswert dabei finde, ist der Ansatz, denn hier wird konzediert und zugrunde gelegt, dass familienpolitische Maßnahmen auf demographische Prozesse wirken. Und so ist das auch.

Die Frage kann man weiterspinnen: Wie kam es zu dieser Geburtenrate? – Das finde ich das eigentlich Interessante. Dabei ist ein Vergleich mit anderen Ländern, die da ein bisschen glücklicher sind als wir, sehr hilfreich. Familienpolitik war über Jahrzehnte – und ist es auch noch ein bisschen – ein sehr hübsches Thema, vor allem für weibliche Abgeordnete. Je nach ideologischem Standpunkt ging das mehr in die Richtung „Wert­schätzung von Familienarbeit“ oder hatte einen frauenpolitischen Schwerpunkt. Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft, das hat man natürlich auch immer gehört. Das schätze ich auch nicht gering, das ist ja so, nur wurde vor allem auf das emotio­nale Bedürfnis abgestimmt: Familie als Hort der Geborgenheit, der Stabilität und der Solidarität. Aber so richtig Politik, so wie Wirtschaftspolitik, so wie Außenpolitik, so rich­tig Politik war Familienpolitik in den letzten Jahrzehnten eigentlich nicht.

Und das ist es! Genau diese Fehleinschätzung, diese kurzsichtige Einengung familien­politischer Wirkungen und der zentralen familienpolitischen Rolle hat ein gerütteltes Maß an Mitschuld daran, dass wir, was die Geburtenrate betrifft, dort sind, wo wir sind. Im Unterschied zu anderen Ländern war Österreich über Jahrzehnte demographisch blind. Ich darf hier feststellen, dass Familienpolitik auch eine Politik ist, die eine mas­sive Einwirkung – ob man das jetzt will oder nicht, man kann sich da nicht abstinent halten – auf demographische Entwicklungen hat. Doch dieses Bewusstsein muss immer erst geschaffen werden. Demographie als Grundlage jeder Ökonomie zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass dies im Zentrum der Politik steht.

Ein Vergleich mit Frankreich – ich darf Ihnen das zitieren –:

„Als die Geburtenrate in der Bundesrepublik von 2,4 Kindern pro Frau 1968 auf 1,5 im Jahr 1973 abfiel, führte das weltweit angesehene Institut National d’Études Démogra­phiques in Paris im Auftrag der französischen Regierung Modellrechnungen zur lang­fristigen Bevölkerungsentwicklung der französischen Bevölkerung bis zum Jahre 2100 durch.“

Man höre! Es gibt dort ein nationales Institut für Bevölkerungswissenschaften. Aus der Beobachtung eines Nachbarlandes – nicht einmal alarmiert durch eine eigene Entwick­lung, sondern aus der Beobachtung eines Nachbarlandes – wird der Schluss gezogen: Hier ist etwas im Gange, was unter Umständen die gesamte Grundlage eines Staates gefährden kann. Das muss man beobachten, das muss man anschauen. Die franzö­sische Regierung hat in Auftrag gegeben, das zu untersuchen.

Es heißt weiters:

„Einer der Modellvarianten war auch die in Deutschland erreichte Geburtenrate von 1,5 Kindern“ – wir liegen ja darunter – „zugrunde gelegt – als Beispiel einer bis dahin


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