Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 43

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Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


9.49

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minis­ter! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Bei der Einleitung des Redebeitrags des Kollegen Broukal muss ich zu dem Ergebnis kommen: Wenn er das Abschneiden Österreichs bei der letzten PISA-Studie als „Krise“, als „Katastrophe“, als „Trümmerergebnis“, als „dramatisch abgesunken“ bezeichnet, dann muss ich sagen: Mit diesem Schluss, den er da aus diesem Ergebnis zieht, würde er weder eine positive Schulnachricht bekom­men (Abg. Öllinger: Oh Gott!), die für die Schüler Österreichs unmittelbar bevorsteht, noch ein positives Zeugnis an der Universität, noch sonst eine positive Rückmeldung. Offenbar hat er diese PISA-Studie nämlich nicht gelesen. (Ruf bei der SPÖ: Geh bitte!)

Das Absinken der Leistungen, vom Platz der letzten PISA-Studie zum heutigen, be­wegt sich in einem so engen Bereich, die Länder liegen so nahe nebeneinander, dass man diese mächtigen Worte niemals gebrauchen könnte! – Das einmal zur Einleitung. (Beifall bei der ÖVP.)

Dennoch: Handlungsbedarf besteht!

Was macht die SPÖ? – Klassischer organisationsrechtlicher Reflex: Die Schule muss umgebaut werden, die Einführung der Ganztagsschule ist die einzige Lösung! (Abg. Broukal: Ihre Ministerin spricht von der Ganztagsschule!) Das steht in überhaupt keinem Zusammenhang mit dem PISA-Ergebnis. (Abg. Broukal: Sagen Sie das der Frau Gehrer!) Das steht damit in keinem Zusammenhang. Lesen Sie die Literatur dazu! Seit Jahren wird solide nachgewiesen: Man kann aus Schulleistungen, aus Vergleichen von Schulleistungen nicht automatisch einen organisationsrechtlichen Schluss ziehen! Also ist aus PISA nicht zu folgern: Wir müssen die Ganztagsschule einführen! (Abg. Broukal: Sagen Sie das der Frau Ministerin!) Aus PISA ist nicht zu folgern: Wir müssen die Gesamtschule einführen! – Alles falsch!

Das ist ein komplexes Thema, das eine solide Zusammenschau aller Aspekte und Faktoren verdient, da sollte keinen ideologischen Reflexen nachgegeben werden. Bitte gewöhnen Sie sich das ab! Es führt uns nämlich nicht weiter. Ich nenne Ihnen gerne die Quellen, wo Sie das nachlesen können.

Was könnten wir für den nächsten PISA-Test, einer Momentaufnahme neben anderen guten Evaluierungen, machen? – Wir könnten schnell den Lehrplan ändern, einige PISA-Aufgaben in den entsprechenden Schulstufen einbauen, einige Übungen pro Wo­che ansetzen – und dann würden wir gut abschneiden. Wir könnten die Schulbücher evaluieren und PISA-gerechte Aufgaben einbauen. Das können wir!

Vielleicht sollten wir aber diese Gelegenheit dafür nutzen, etwas solider über das zukünftige Schulsystem zu reden, etwa über die Frage der weiteren Qualifizierung im Bereich der Fachdidaktik, über die Konstruktion der Lehrpläne, die jetzt in Kern- und Erweiterungsstoffe gegliedert sind und damit für die Schulen, für die Lehrer die hohe Verpflichtung in sich tragen, etwas auszuwählen beziehungsweise etwas wegzulassen, und vielleicht darüber, sich über Lehrerarbeitsgemeinschaften noch mehr zu professio­nalisieren, also mit all dem stärker zu einem Ergebnis zu kommen, das mit den PISA-Erwartungen übereinstimmt.

Noch etwas ganz Wichtiges: Deutschland war so clever und hat nach PISA I eine ver­tiefende Untersuchung gemacht – ich habe sie hier vorliegen –, in der nachgewiesen wurde, dass der Organisationshintergrund von Schule in überhaupt keinem unmittel­baren Zusammenhang mit dem Ergebnis von PISA steht.

 


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