Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 54

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11.49.40

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Meine Damen und Herren! Ein bisschen ist das schon symptoma­tisch, auch die heutige Beschlussfassung für die Struktur der Europäischen Union: alles sehr, sehr technisch. Selbstverständlich stimmen auch wir diesem Gesetz heute zu, dem Ermächtigungsgesetz, das die Bundesregierung und auch den Nationalrat ermächtigt, die EU-Verfassung zu ratifizieren, aber man merkt doch die tatsächliche Betroffenheit: So mitreißend ist die ganze Angelegenheit nicht! Und das ist schade, denn eigentlich sollten wir uns darüber freuen, dass wir zumindest einen Schritt weiter kommen im Zusammenhang mit der Vertiefung der Europäischen Union, zu einer Verfassung für diese Union, die die Grundlage für die weitere Entwicklung hin zu einer politischen Union, die wir alle haben wollen, bilden sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber so wirklich kommt das alles nicht an, auch nicht bei der Bevölkerung. Ich glaube daher, wir hätten da schon einiges zu tun, um den Menschen die Vorteile, aber auch die Nachteile all dieser Projekte näher zu bringen, die Idee, die Vision eines gemein­samen Europas auch als Friedensunion, als Werkzeug dafür, dass auch künftige Generationen auf diesem Kontinent in Frieden, in Freiheit, in Wohlstand leben können. Das sollte, glaube ich, eines der wichtigsten Ziele des Europa-Projektes sein!

Eines der Ziele sollte auch sein, dass wir diesen Friedensgedanken, diesen Sicher­heitsgedanken auch über die Grenzen dieses gemeinsamen Europas tragen! Aber auch da hat sich ja die Europäische Union in sehr vielen Diskussionen in einer Struk­turdebatte verstrickt.

Herr Abgeordneter Einem hat ja auch hier gesagt, in dieser EU-Verfassung wäre einiges drinnen, aber man solle keine Angst haben, denn wir müssten ja nirgends mitmachen, wo wir nicht mitmachen wollten! – Das ist ja kein Fortschritt und das ist ja eigentlich nichts Neues, Herr Kollege Einem, selbst NATO-Mitgliedsländer müssen nicht in militärische Einsätze gehen, wenn sie nicht wollen! Aber wir müssen endlich ohne Wenn und Aber diesen Solidaritätsgedanken innerhalb der Europäischen Union zum Ausdruck bringen, dass dann, wenn ein Land dieser Union bedroht wird – ob das militärisch ist, was wir alle nicht hoffen, ob das im Katastrophenfall oder in anderen Sicherheitsbereichen der Fall ist –, alle die Pflicht haben – die moralische Pflicht! –, dieses Land entsprechend zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Kollege Einem! Da ist es völlig verfehlt, wieder eine Neutralitätsberuhigungsde­batte zu führen, denn die Neutralität, von der die Österreicher glauben, dass dadurch ihre Sicherheit garantiert ist, haben Sie spätestens 1998 mit der Verfassungsnovelle abgeschafft, durch die Österreich in die Lage versetzt wurde, auch ohne UNO-Mandat an europäischen Sicherheitsmaßnahmen teilzunehmen. – Aber das sollte ja nicht der Kern dieser Debatte sein.

Wir haben in dieser Verfassungsdiskussion einiges an Kritik eingebracht, begrüßen aber, dass es diese Verfassung gibt – da ist man Österreich schon voraus, denn in Österreich ist es leider bis jetzt nicht gelungen, auch nicht im Verfassungs-Konvent, einen Konsens über eine neue Verfassung zu finden.

Auf europäischer Ebene gibt es gute Regelungen, wir haben uns Gott sei Dank durch­gesetzt etwa bei der Aufrechterhaltung des Einstimmigkeitsprinzips in essentiellen Fragen, aber es gibt leider Defizite im Bereich der direkten Demokratie. Auch ich be­dauere es, dass dieses wichtige Projekt einer gemeinsamen Europäischen Verfassung nicht durch ein Plebiszit, also durch eine europaweite Volksabstimmung abgesegnet werden kann.

 


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