Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 96. Sitzung / Seite 134

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Betroffene aus diesen Gruppen gibt, erbracht haben, da wir mehrere Aufrufe in Betrof­fenen-Zeitungen, in Zeitungen der Opferverbände und in allen anderen uns zur Verfü­gung stehenden Mitteln gemacht haben. Es ist bis heute noch kein Fall aufgetreten.

Ich bin Ihnen, Frau Kollegin Lunacek, dankbar dafür, dass Sie es in Ihrer Rede richtig dargestellt haben, nämlich dass die Ablehnungsfälle in den frühen neunziger Jahren passiert sind. In meiner Amtszeit ist kein einziger Fall abgelehnt worden, im Gegenteil, es sind auch dort endlich Rehabilitierungen erfolgt, wo in den neunziger Jahren noch eine andere Sicht gegeben war.

Daher sehe ich den Bedarf für die Fristsetzung nicht. Ich sehe allerdings den Bedarf, dass wir dieser Zeit und den damaligen Opfern auch insofern in diesem Jahr endlich nachkommen, als wir für jene etwas machen, die bis heute noch nicht in Diskussion gestanden sind, außer in einer Diskussion im Bundesrat, nämlich den Tausenden Trümmerfrauen, die noch immer keine Pension haben. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

16.42

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Letzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Herr Kollege, Sie sind für 5 Minuten am Wort.

 


16.43.02

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Haupt, ich möchte Ihnen gar nicht das Engagement für bestimmte Opfergruppen abstreiten; das ist nicht der Punkt. Aber wenn Sie sagen: Wir haben einen Aufruf gemacht, und da hat sich niemand gemeldet!, dann erlauben Sie mir, Herr Kollege Haupt, dass ich nachfrage, wo Sie den Aufruf gemacht haben. Wo? In der Zeitschrift „Mahnruf“?

Glauben Sie wirklich, dass die Öffentlichkeit damit erfährt, dass Sie, dass die Bundes­regierung eine andere Haltung einnehmen will zu homosexuellen, zu asozialen Opfern des Nationalsozialismus, zu Deserteuren? Glauben Sie wirklich, dass, wenn ich in einer Publikation – so gut gemeint das auch ist –, die 5 000 oder 10 000 auch schon jetzt anerkannte Opfer erreicht, aber sicher nicht mehr, wenn ich also in solch einer Publikation diesen Aufruf mache, die Öffentlichkeit damit schon weiß, worum es geht?

Glauben Sie wirklich, dass Zwangssterilisierte – ich habe schon einmal hier in diesem Saal versucht, das unter diesem Punkt abzuhandeln –, die Jahrzehnte hindurch nicht nur Leid, sondern auch einen im übertragenen und wörtlichen Sinn tiefen Einschnitt in ihrer Psyche und ihrer Physis hinnehmen mussten, dann hergehen und sagen: Na endlich anerkennt mich diese Republik!? Wissen Sie, was es für diese Gruppen heißt, Opfer oder vom Nationalsozialismus verfolgt gewesen zu sein?

Ich bringe Ihnen ein Beispiel. Als ich 1997 hier – dafür danke ich den Kollegen aus allen Fraktionen, die mich damals unterstützt haben; alle Fraktionen haben das unter­stützt! – die Anfragen zum Psychiater Heinrich Gross eingebracht habe, hat es in der Folge eine Fernsehberichterstattung gegeben, eine ZiB. Und kurz nach dieser ZiB hat mich ein Herr Gross angerufen. Ich habe mir gedacht: Na servus, jetzt ruft der Psychia­ter an! – Es war nicht der Psychiater, sondern es war das Opfer! Es gibt nämlich auch einen Herrn Gross, der Opfer war, der inzwischen auch ein Buch geschrieben hat, der als Asozialer hier in Wien am Spiegelgrund angehalten wurde. Asozial war er damals deswegen, weil er ein Jugendlicher war und aus einer Fürsorgeanstalt abgehauen ist, und das nicht nur einmal, sondern zwei Mal, drei Mal. Deshalb hat man ihn in den Spiegelgrund gesteckt.

Aber das – er hat mir das am Telefon erzählt –, was mich am meisten erschüttert hat, war seine Bemerkung, zu der er sich mir gegenüber verpflichtet gefühlt hat – ich bin


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite