Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 99. Sitzung / Seite 90

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am 14. Februar, als der Reformdialog Bildung stattfand, haben Sie offenbar die Weisung ausgegeben: An diesem Tag dürfen keine Fotos veröffentlicht werden. An­scheinend hat Sie das schlechte Gewissen geplagt.

Ich habe mir das dann ein bisschen genauer angesehen. Auf der Homepage der SPÖ Baden war ein Foto veröffentlicht, und darauf sieht man Sie im Wahlkampf. (Der Redner zeigt ein Foto. – Oh-Rufe bei der ÖVP.) Im Wahlkampf waren Sie an jenem Tag, als wir uns, als alle hochrangigen Leute dieses Landes sich mit Bildung be­schäftigt haben! Damals waren Sie unterwegs und haben wahlgekämpft. Das ist Ihr Glaub­wür­digkeitsproblem, Herr Dr. Gusenbauer! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie haben auch ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil Sie heute sagen: Diese Debatte gibt die Gelegenheit, ab dem Zeitpunkt der zweiten PISA-Studie Bilanz zu ziehen. Ja, das glaube ich schon, weil PISA für Sie heißt: „plötzlich in schulischen Angele­genheiten aktiv“ – das heißt für Sie PISA. Denn für uns hat die Bildungspolitik lange davor begonnen. Sie haben offenbar eines übersehen (Zwischenrufe bei der SPÖ): die höchst erfolgreiche Oberstufenreform der allgemein bildenden höheren Schulen, die Elisabeth Gehrer umgesetzt hat, wozu man heute noch gratulieren kann, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Sie übersehen völlig die Tausenden zusätzlichen Plätze, die in den Jahren Elisabeth Gehrers als Bildungsministerin an den berufsbildenden höheren Schulen geschaffen wurden. Sie übersehen die Reform der Lehrpläne, die eine neue Gliederung in Kernbereiche und Erweiterungsbereiche erfahren haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie übersehen völlig die Vorbereitung im Hinblick auf die Umwandlung der Päda­gogischen Akademien in Richtung der Pädagogischen Hochschulen.

Sie leiten aus der PISA-Studie eine Totalreform des österreichischen Schulsystems ab, und da muss ich Ihnen unterstellen, dass Sie die PISA-Studie ebenso wenig gelesen haben wie die Anträge, die heute zur Diskussion stehen. (Abg. Dr. Jarolim: Gerade so viel verstanden ...!) Denn wenn eines aus der PISA-Studie nicht abzuleiten ist, dann ist es eine Totalreform des österreichischen Bildungssystems. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Das passt Ihnen in Ihren ideologischen Kram – das mag schon sein –, aber es hat mit einer verantwortungsvollen Bildungspolitik überhaupt nichts zu tun.

Denn was sind die Aussagen der PISA-Studie? – Wir haben im Lesebereich Schwächen bei den 15-Jährigen, das stimmt. Wir haben aber auch einen sehr hohen Anteil von Kindern mit Migrations-Hintergrund, und deshalb ist das Thema einer sprachlichen Frühförderung ein besonders wichtiges Thema. Auch das steht heute in einem Entschließungsantrag, meine Damen und Herren!

Es geht um die Validität der Abschlüsse, und diese werden wir gewährleisten, indem Bildungsstandards eingeführt werden, die längst in Vorbereitung sind. Die Schulauf­sicht wird in Richtung einer Evaluierungseinrichtung weiterentwickelt. All das sind Fragen, die wir sehr ernsthaft behandeln, Herr Dr. Gusenbauer!

Was wir sicher nicht tun werden, ist, Ihren Einheitsbrei umzusetzen, den Sie in der Bildungspolitik machen wollen. Das kommt für uns nicht in Frage. Wir treten für ein leistungsorientiertes, differenziertes Bildungssystem ein, das die Kinder und Jugend­lichen dort abholt, wo sie mit ihren Interessen, ihren Begabungen und ihren Neigungen stehen. Und die Vorlagen, die gemacht werden, befassen sich genau mit jenen Themen, die uns PISA aufzeigt.

Ein letztes Wort noch zu Ihrer Lizitation im Zusammenhang mit der Zweidrittelmehrheit: Herr Dr. Gusenbauer, Sie glauben offenbar tatsächlich, dass Sie hier lizitieren können.


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