Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 116

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Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Herr Bun­deskanzler Dr. Schüssel zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht über­schreiten. – Herr Bundeskanzler, Sie sind am Wort.

 


15.20.24

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Hohes Haus! Zunächst – um das Wichtigste auszuräumen –: Herr Professor Van der Bellen, ich darf Sie von Herzen und aus ehr­licher Überzeugung als konstruktive Persönlichkeit bezeichnen! Sie brauchen mich deswegen nicht als „falschen Kuckuck“ oder sonst wie zu bezeichnen! Ich schätze Sie auch so als einen konstruktiven Abgeordneten und Oppositionspolitiker! – Dies gleich zu Beginn der gemeinsamen Diskussion. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Zweitens: Irgendwie würde ich Ihnen schon empfehlen, auch bei Ihnen im Archiv nach­zusehen, was Sie damals gesagt haben, als es um die Abspaltung des Liberalen Forums und Frau Präsidentin Heide Schmidt gegangen ist! Beim Stöbern im Archiv werden Sie nämlich draufkommen, dass Sie genau die gleiche Position eingenommen haben – die übrigens richtigerweise natürlich auch der Nationalratspräsident ein­nimmt –, dass nämlich die Abgeordneten von den Wählerinnen und Wählern frei gewählt sind und sich nach der Wahl frei zu Klubs zusammenschließen. – Das basiert auf der Geschäftsordnung, das ist die Grundlage, dass sich 18 Abgeordnete zum frei­heit­lichen Klub zusammengeschlossen haben und eine größere Anzahl von Abge­ordneten zum Klub der Österreichischen Volkspartei. Ich glaube schon, dass der Res­pekt vor dem frei gewählten Abgeordneten es gebietet, dies auch auszusprechen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Ich weiß, dass jeder von Ihnen – ich darf das sagen, denn ich bin selbst durch mittler­weile 26 Jahre frei ins Parlament gewählt – im Durchschnitt zwischen 25 000 und 26 000 Wählerinnen und Wähler vertritt. Wenn das nicht so wäre, dann würden Sie hier nicht sitzen, und das gilt für jeden, ganz gleichgültig, welcher Fraktion oder welchem Klub er angehört. Daher verdient jeder diesen Respekt, und das sollte auch über die Fraktionsgrenzen hinaus respektiert und anerkannt werden! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Zwischenruf des Abg. Parnigoni.)

Drittens: Herr Professor Van der Bellen, ich weiß, wovon ich rede! Ich habe mit dem Landeshauptmann von Kärnten und dem freiheitlichen Parteichef, mit dem ich ja die Koalition vor fünf Jahren gegründet habe – dann hat er freiwillig zurückgelegt –, so manchen Strauß ausgefochten. Nur etwas dabei erstaunt mich: Dass Ihnen plötzlich die sozialdemokratischen Abgeordneten applaudieren, die mit dem gleichen Jörg Haider in Kärnten ganz zufällig eine Koalition eingegangen sind! – Gibt es zwei Haider? Den guten Haider in Kärnten und den bösen Haider, den bösen Wolf, auf Bun­desebene? (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

Das ist nicht wirklich Ihr Ernst! Da müssen Sie selbst schmunzeln, Herr Professor!

Um es einfach zu machen: Sie stellen hier einen Entschließungsantrag mit dem Inhalt: Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Bundespräsidenten mitzuteilen, dass sie wünscht, ihres Amtes enthoben zu werden. – Da müssen Sie auch schmunzeln! Ich darf Ihnen sagen: Wir schmunzeln nicht! Wir haben nicht den Wunsch, dem Bundes­präsidenten mitzuteilen, vom Amt enthoben zu werden! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP sowie Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Ganz im Gegenteil! Ganz im Gegenteil: Der Vizekanzler und ich waren unmittelbar nach Ihnen auch beim Herrn Bundespräsidenten Kaffee trinken: Er ist ein wirklich angenehmer Gesprächspartner, und es war ein sehr gutes, konstruktives Gespräch.


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