Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 107. Sitzung / Seite 70

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als Gesetzgeber in dieser Zweiten Republik an diesem Tag, an dem wir 60 Jahre Republik feierlich begehen, endlich etwas tun sollten, konkret ein Signal, ein Zeichen setzen gegen dieses Unrechtsregime, gegen diesen Unrechtskrieg, gegen dieses Elend, das Sie heute Vormittag in Bildern gesehen haben – das machen Sie nicht!

Entschuldigen Sie, ich kann mich an die Diskussion im Justizausschuss erinnern: Sie hatten kein Argument. Sie hatten kein Argument, Sie hatten nur den Hinweis, es geht nicht mit vier Parteien. Heute war es Kollege Haupt, der gesagt hat, momentan geht es nicht mit vier Parteien, aber wir wollen eine Vier-Parteien-Einigung.

Und ich frage mich, ich frage mich aus historischen Gründen: Muss es sich diese Republik, muss es sich dieses Parlament, müssen es sich diese Volksvertreter gefallen lassen, dass sie an einem wirklich wesentlichen Tag in der Geschichte der Republik ein wesentliches Zeichen nicht setzen können, weil es noch Menschen in unseren Reihen gibt, die nicht fähig sind, Menschen, die zu Unrecht verurteilt worden sind, endlich Recht zuzugestehen, endlich Recht zu geben? Darin besteht für mich die Schande! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist für mich die Schande, dass die ÖVP in Geiselhaft steht, dass die christlich-soziale Partei nach wie vor in Geiselhaft von einzelnen Menschen steht. Es sind viel­leicht nur zwei, drei. Im Justizausschuss hat ja keiner von diesen Menschen – weder Kollegin Partik-Pablé noch Kollege Böhmdorfer oder Kollege Scheuch – argumentiert, und die ÖVP ist stillschweigend für diesen Vier-Parteien-Konsens, den es nicht geben kann, weil diese Menschen nicht wollen. Warum diese Menschen nicht wollen, weiß ich nicht. Sie argumentieren ja nicht, sie sagen nur, es ist noch nicht Zeit.

Ich frage mich: Wenn jetzt nicht Zeit ist, wann soll denn Zeit sein? – Bitte, wir haben jetzt den 20. April (Abg. Neudeck: Wir haben den 27. April!), wir haben in Kürze den 8. Mai (Abg. Scheibner: Was meinen Sie mit 20. April?), und wir haben bis jetzt in diesem Nationalrat noch keinerlei gesetzliches Zeichen gesetzt, noch keinerlei gesetz­lichen Beschluss verabschiedet, der sich in irgendeiner Weise auf das Unrechtsregime, den Unrechtskrieg zwischen 1939 und 1945 bezieht. Es gab kein legistisches Zeichen bis jetzt in diesem ersten halben Jahr der Republikfeierlichkeiten, es gab kein Zeichen des Nationalrates in diese Richtung. Und heute verweigern Sie wieder ein kleines Zei­chen: die Zustimmung zu einer Fristsetzung. Und das ist für mich der Skandal! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich möchte Ihnen nur zum Abschluss noch ganz deutlich eines der Unrechtsurteile zitieren (Abg. Scheibner: Ich möchte nur wissen, was Sie am 20. April feiern?!), das leider auf Grund Ihrer Haltung – Herr Kollege Scheibner, zum Beispiel auf Grund Ihrer Haltung – nach wie vor Rechtsgültigkeit besitzt. Ich lese es Ihnen vor. Am 3. März 1945 wurde der 20-jährige Kärntner Knecht Hubert D. vom Militärgerichtshof verurteilt, und zwar mit der Begründung:

„Er ist ein minderwertiger Mensch, der nur nach dem Grundsatz bestraft werden kann: ,Wer den Tod der Ehre fürchtet, muss den Tod der Schande sterben.‘“ 

Das besitzt heute wegen Ihnen noch immer Gültigkeit. Und das ist für mich der Skan­dal. Dieser Kärntner wurde dann leider in Schlesien standrechtlich erschossen. Und das ist für mich wirklich der persönliche Skandal. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

18.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stoi­sits, Kolleginnen und Kollegen, dem Justizausschuss zur Berichterstattung über den


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