Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 73

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12.16.20

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Frau Außenministerin! Meine Damen und Herren auf der Galerie und auch vor den Fernsehbildschirmen! Lassen Sie mich zu Beginn einige der positiven Dinge, die die Grünen und mich dazu bewogen haben – dazu bewegen werden –, ja zu dieser Verfassung zu sagen, erwähnen!

Meine Kollegin Glawischnig hat es schon angeführt: Die Europäischen Union war von Beginn an eine Wirtschaftsunion. Was jetzt passiert, ist, dass sie auch zu einer politi­schen Union gemacht wird. Es fehlt zwar schon noch einiges dazu, aber zumindest wird nun mit der Verankerung von Grundrechten für alle Bürgerinnen und Bürger, mit der Verankerung sogar von sozialen Menschenrechten als Grundrechten, ein ganz wichtiger Schritt in diese Richtung gegangen. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, der auch mir sehr wichtig erscheint, ist das Friedensprojekt Europa. Nicht von ungefähr feiern wir, gedenken wir in diesen Tagen auch des Endes des nationalsozialistischen Terrors und des Zweiten Weltkrieges. Eines der Ergebnisse sozusagen, die aus diesem Terror, aus diesem Krieg zu lernen waren, ist, dass dieses Europa zusammenwachsen soll und dass es nie wieder so einen Krieg in diesem Europa geben soll! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ und der Freiheitlichen.)

Dies soll aber nicht nur in den jetzigen Staaten der EU so sein, sondern dieses Friedensprojekt soll auch zum Beispiel eines für Südosteuropa sein, denn es liegt in der Verantwortung der EU, darauf zu wirken, dass es auch in jenen Staaten dieser Re­gion, in denen noch vor etwa 15 Jahren blutige Kriege getobt haben, keinen Krieg mehr gibt.

Ein weiterer Auftrag dieser Verfassung ist für uns Grüne, dass Europa seine inter­nationale Verantwortung wahrnimmt. Es soll nicht nur wirtschaftlich in allen Teilen der Welt vertreten sein, Investitionen fördern et cetera, sondern all das muss im Rahmen der Achtung der Menschenrechte und der Demokratie stattfinden, sodass nicht die Wirtschaft Oberhand bekommt und Dinge wie soziale Rechte, Menschenrechte, Demokratie in den Hintergrund geraten. Auch das gehört für mich zu dieser Not­wen­digkeit, das „Nie wieder Krieg!“ im Rahmen der EU-Verfassung zu verankern. Die Prob­leme, die es dabei gibt, und die Gründe dafür, dass diese Verfassung in Österreich und in vielen Teilen Europas mit sehr viel Kritik konfrontiert ist, haben viele der Vor­red­nerinnen und Vorredner schon erwähnt.

Auf einen dieser Kritikpunkte, der auch Österreich betrifft, möchte ich hier noch einmal eingehen. Herr Bundeskanzler! Sie haben erwähnt, dass Sie sich schon im September 2003 für eine europaweite Volksabstimmung eingesetzt haben. Sie haben sogar gesagt, es habe einen Entwurf, einen Text Ihres Beauftragten, Herrn Farnleitner, ge­geben, den auch der Kollege von den Grünen, Voggenhuber, unterschrieben habe. – Herr Bundeskanzler! Ich habe eben mit Johannes Voggenhuber telefoniert und bestätigt bekommen, dass das ein Vorschlag von Johannes Voggenhuber war, den dann zum Glück auch Kollege Farnleitner mit unterstützt hat.

Es war also eine Initiative der Grünen, die da im März 2003 stattgefunden hat. Gut, dass auch die ÖVP mitgemacht hat, aber über Ihren von Ihnen, Herr Bundeskanzler, heute angeführten Vorschlag, wonach Sie sich schon im September 2003 für eine Volksabstimmung über die Verfassung eingesetzt hätten, steht in der APA vom 23. September 2003 nur:

„Gegen eine ,Volksabstimmung auf europäischer Ebene über die EU-Verfassung hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) nichts einzuwenden.“

 


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