Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 93

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13.17.17

Abgeordnete Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Die Europäische Union wurde vor ziemlich genau einem Jahr von 15 auf 25 Mitglieder erweitert. Das war ein großes, wichtiges Projekt, aber die Institutionen müssen daran erst angepasst werden. Aus diesem Grund, aber auch aus vielen anderen Gründen war es notwendig, eine neue Verfassung zu entwickeln. Ein Zurückfallen auf den Vertrag von Nizza kann sicherlich nicht die Lösung sein. Daher wird es heute eine fast einstimmige Zustimmung geben, auch wenn Kritik geäußert worden ist, und ich denke, dass Kritik an der Europäischen Union auch berechtigt ist, denn zweifellos sind auch Erwartungen nicht erfüllt worden.

Bemerkenswert ist das Minireferendum der Österreichischen Gesellschaft für Euro­papolitik, bei dem immerhin 5 000 Menschen befragt worden sind. 37 Prozent davon waren der Auffassung, dass der Nationalrat heute der EU-Verfassung die Zustimmung erteilen soll, 21 Prozent waren dagegen und 42 Prozent haben keine Meinung ge­äußert. Es ist sehr interessant, dass fast die Hälfte der Befragten keine Meinung geäußert hat. Das deutet schon auf ein Informationsdefizit hin. Dieses Informations­defizit gibt es einfach.

Natürlich ist die Verfassung ein sehr kompliziertes Werk; die Menschen schauen sich weniger Vertragstexte an als die Auswirkungen auf ihr tägliches Leben. Da bemerken wir Misstrauen, aber auch Enttäuschung gegenüber der Europäischen Union. Ich denke nicht so sehr Ablehnung als vielmehr Misstrauen, weil die Europäische Union nicht als das Europa der Menschen erlebt wird. Die Menschen assoziieren Bürokratie, Unübersichtlichkeit, Abgehobenheit. Es muss sich allerdings auch jeder bewusst sein, dass die Politik der Europäischen Union nach wie vor die Summe der Politik der Regierungen ist und daher auch die Regierungen die Verantwortung tragen, wesentlich mittragen für Kritik an der EU und Enttäuschung über die Europäische Union.

Daher ist es wichtig, dass der Politik durch die Verfassung ein Rahmen gegeben wird und dass Zielbestimmungen artikuliert werden, die zum Teil durchaus positiv zu sehen sind. So wird – und das ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr wichtig – den sozialen Fragen höherer Stellenwert eingeräumt. Zu den Zielen zählen Vollbeschäftigung, Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung, För­derung der sozialen Gerechtigkeit und des sozialen Schutzes, Gleichstellung von Frauen und Männern, Solidarität zwischen den Generationen, Schutz der Rechte des Kindes und auch eine Verankerung der Sozialpartnerschaft. Wichtig ist auch die Aufnahme der Charta der Grundrechte in die Verfassung.

Es gibt allerdings auch Negatives zu vermelden. Es gibt keine makroökonomischen Weichenstellungen für Wachstum und Beschäftigung. Es gibt keine Möglichkeiten, keine Instrumente, dem Steuerwettbewerb nach unten Einhalt zu gebieten, und auch keine eindeutige Absicherung der öffentlichen Dienstleistungen beziehungsweise der Daseinsvorsorge bei Eingriffen des EU-Wettbewerbsrechts. Das heißt, es gibt nach wie vor ein Übergewicht des Wirtschaftlichen über das Soziale.

Trotzdem ist es, wie gesagt, wichtig, dass die Europäische Union weiterentwickelt wird. Es ist wichtig, dass sie sich zu einer Sozialunion entwickelt, und dafür braucht es eine gute Verfassung. Diese Verfassung ist sicherlich nur ein erster Schritt, aber immerhin, es wird ein erster Schritt getan. (Beifall bei der SPÖ.)

13.21


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Langreiter. – Bitte.

 


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