Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 142

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Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von 25 Minuten zukommt.

Die Debatte wird von Herrn Abgeordnetem Dr. Pilz eröffnet. Herr Abgeordneter, Sie haben sich eine Redezeit von 8 Minuten gewünscht. Ich schalte Ihnen die Lampe auf 8 Minuten; gesetzlich ist Ihre Rede mit 10 Minuten begrenzt. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


15.47.27

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst kurz zum abwesenden Bundeskanzler: Natürlich ist es sein formales Recht, jeder Anfragebeantwortung, jeder Dringlichen Anfrage und jedem Dringlichen Antrag fern zu bleiben. (Zwischenruf der Abg. Dr. Brinek.) Der Nationalrat und das österrei­chische Parlament haben aber mehr als nur formale Rechte! Wir haben alle gemein­sam das Recht, politische Antworten vom Regierungschef und nicht immer von seinen Vertretungen zu bekommen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Fekter: Freuen Sie sich doch! Er ist ohnedies Tafeln aufstellen!)

Wir haben lange angekündigt, dass wir bereits gestern diese Fragen stellen wollten.

Der Bundeskanzler hat sich beim Klubobmann der Österreichischen Volkspartei einen Dringlichen Antrag zur Wiederholung einer Kanzlerpressekonferenz bestellt. Das ist gestern durchgeführt worden. Auch das ist formal durch die Geschäftsordnung ge­deckt. Und ich verstehe die Menschen im Burgenland, die heute zu Recht das 60-Jah­re-Jubiläum feiern wollen. Aber ich habe kein Verständnis für einen Bundeskanzler, der sagt: Ich gehe lieber feiern in Eisenstadt, als im Nationalrat in Wien Fragen zu beant­worten. Der Platz von Bundeskanzler Schüssel wäre heute hier im Nationalrat! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Fekter.)

Herr Staatssekretär, erklären Sie mir einmal die Rätsel der kanzlerischen Mobilität! Er ist Ihrer Ansicht nach zwar in der Lage, um 15 Uhr von Kärnten aus Eisenstadt zu erreichen, aber offensichtlich nicht in der Lage, Wien zu erreichen! Da muss in der Ver­kehrspolitik der Bundesregierung etwas uns bisher völlig Unbekanntes schief gegan­gen sein! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das Dritte, was ich hier erwähnen möchte, ist diese neue Bestellkultur. Einen Tag bestellt sich der Bundeskanzler einen Dringlichen Antrag. – Dieser Wunsch wird erfüllt. Am anderen Tag bestellt er sich eine Rede an die Nation. – Auch das wird erfüllt! Was ist denn das für eine Bestellkultur, wo so genannte unabhängige Einrichtungen wie ein öffentlich-rechtliches Fernsehen auf der einen Seite und eine gesetzgebende Körper­schaft auf der anderen Seite auf Bestellung des Bundeskanzlers funktionieren?

Wie viel Anstand als Abgeordneter, Herr Mag. Molterer, wie viel Restanstand ist Ihnen noch verblieben, dass Sie auf jede Bestellung des Kanzlers losrennen und sagen: Dringliche Anfrage – Anruf bei Mück – dringende Rede an die Nation? (Ruf bei der ÖVP: Bei Ihren Dringlichen Anfragen ist nicht einmal der Klubobmann dabei! – Weitere Zwischenrufe.) – So, und jetzt Schluss: Wenn Wolfgang Schüssel es vorzieht, dem Nationalrat fernzubleiben, dann soll er daraus gefälligst einen Dauerzustand machen, indem er diese Regierung zum längst fälligen Rücktritt bringt und den Platz freimacht, nicht nur für heute, sondern für alle Zukunft! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Jetzt zum Thema Deserteure. – Meine Damen und Herren, insbesondere von der Österreichischen Volkspartei: Ein einziger Satz ist überfällig, und der heißt: Deserteure sind keine Kriminellen! Deserteure sind Menschen, die zum Teil hohes Risiko auf sich genommen haben und die zumindest eines erreicht haben: einen kleinen Beitrag zur Schwächung des nationalsozialistischen Verbrechensregimes zu leisten. Jeder dieser


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