Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 153

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gegesetz zu ändern, dass man den Opferbegriff ausweitet, und zwar insbesondere um jene, die Opfer geworden sind wegen ihrer sexuellen Orientierung, wegen vorgewor­fener Asozialität, wegen medizinischer Versuche, die man mit ihnen angestellt hat, und wir müssen auch jene berücksichtigen, die man einer Zwangssterilisation unterworfen hat.

Es ist notwendig, dass wir – wie in anderen Gedenkjahren – auch diesen Opfern noch einmal eine Zuwendung zukommen lassen. Es sind ja ohnehin nicht mehr sehr, sehr viele am Leben. Daher hat unser Antrag drei Artikel: Den Artikel bezüglich der Beseiti­gung nationalsozialistischer Unrechtsakte, die Änderung des Opferfürsorgegesetzes und ein Bundesgesetz, mit dem wir Befreiungs-Erinnerungszuwendungen gewähren wollen, so wie wir es auch 1988 und 1982 getan haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rehabilitierung von NS-Opfern beschäf­tigt uns ja bereits seit 1999. Damals haben wir, angeregt durch eine deutsches Gesetz, auch geglaubt, wir bräuchten ein ähnliches Gesetz wie die Bundesrepublik. Nach der Studie, die wir in Auftrag gegeben haben – das hat Kollegin Stoisits ja eindeutig erläu­tert –, waren wir alle überrascht, dass bei uns eine andere Rechtslage gegeben ist. Die bestehende Rechtslage hat Staatssekretär Morak ausgeführt. Nach dem Aufhebungs- und Einstellungsgesetz 1945 gelten Verurteilungen von Österreichern wegen Hoch- und Landesverrats oder nach der Kriegssonderstrafrechtsverordnung als nicht erfolgt, wenn die Handlungen gegen die nationalsozialistische Herrschaft oder auf die Wieder­herstellung eines unabhängigen Staates Österreich gerichtet waren. Das waren die politischen Urteile. Aufgehoben wurden damals auch ex lege alle Verurteilungen, die nach taxativ angeführten Gesetzen ergangen sind. Die dazu erlassene Verordnung erweiterte die Anwendbarkeit der Aufhebung. Es ist so, dass ein eigenes Gerichtsurteil, das das feststellt, nicht mehr notwendig ist.

Da heute immer wieder diese Differenzierung zwischen Amnestie und Rehabilitation angesprochen wurde, möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass es sich beim § 7 der Befreiungsamnestie nicht um eine Amnestiebestimmung handelt. Das hat der historische Gesetzgeber in den Erläuterungen bereits eindeutig ausgeführt. Er hat damals bereits angeführt, dass es dem Gesetzgeber nicht um eine Amnestie im klas­sischen Sinne geht, um keinen kollektiven Gnadenerweis, sondern um ein klares Zei­chen der Abgrenzung von einer Unrechtsjustiz, an deren Rechtsakte sich das wieder erstandene Österreich gerade in den Fällen der Militärdelikte nicht mehr gebunden sah. – Ich habe hier zitiert.

Wir sollen schon in einem Gesetz noch einmal explizit auf diesen Willen des histori­schen Gesetzgebers hinweisen und in einem Akt hier im Parlament den Opfern derarti­ger Unrechtsurteile, den Personen im österreichischen Widerstand, den Vertriebenen sowie deren Familien Achtung und Mitgefühl aussprechen. Ich lade alle Fraktionen dieses Hohen Hauses ein, hier gemeinsam an einem Konsens zu arbeiten.

Ich habe den Oppositionsjustizsprechern unseren Antrag bereits übergeben. Wir haben Zeit bis zum 1. Juni, an dem ein Justizausschuss stattfinden wird. Ich bitte um einen ehestmöglichen Gesprächstermin, und ich meine, wir sollen den Konsenspfad, den wir in der Aufarbeitung der Geschichte immer beschritten haben, nicht verlassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

16.38


Präsident Dr. Andreas Khol: Als Nächster spricht Herr Abgeordneter Dr. Einem. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


16.38.42

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Erlauben Sie mir zunächst einen Satz zum Thema Ortstafeln in


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