Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 162

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Scheibner: Aber beschimpfen muss man sich auch nicht lassen!) Nein. (Abg. Mag. Molterer: Habe ich irgendetwas gesagt?) – Herr Klubobmann, Sie sitzen in der ersten Reihe. Das ist Ihr Schicksal. (Abg. Mag. Molterer: Ich habe mich selbst gelobt?)

Herr Klubobmann, vor allem in der Frage der Rehabilitierung der Opfer der NS-Militär­justiz gibt es auch andere Meinungen von hochrangigen Verfassungsjuristen. (Abg. Scheibner: Dann diskutieren wir sie im Ausschuss! Böhmdorfer hat es Ihnen doch erklärt!) Einer davon schreibt: Alle Urteile wurden aufgehoben, allerdings per Amnestie unmittelbar nach Kriegsende. Das ist ein Gnadenakt und setzt Schuld beziehungs­weise rechtmäßige Verurteilung voraus. Ergebnis richtig, Begründung falsch. Dies muss man ändern. Die Urteile sind als Urteile der nationalsozialistischen Verbrecher­justiz von Anfang an nichtig. (Abg. Scheibner: Haben Sie Böhmdorfer nicht zuge­hört?) – Das schreibt Herr Universitätsprofessor Dr. Andreas Khol – und das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie in Ihrem Gesetzesantrag tun. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Kompetenz von Professor Khol – ich betone: in seiner Eigenschaft als Professor Khol! – wird hier wohl niemand anzweifeln, Herr Professor und Präsident Khol.

Meine Damen und Herren, und jetzt auf den Antrag bezogen: Einer Anfragebeantwor­tung des Sozialministeriums ist zu entnehmen, dass zur Frage der sozialrechtlichen Gleichstellung von Opfern hier noch einiger Handlungsbedarf ist. In der Anfragebeant­wortung heißt es: Zeiten einer wegen Desertion verhängten Haft in Gefängnissen, Wehrmachtsstraflagern oder Konzentrationslagern können grundsätzlich nicht als Ersatzzeiten in der österreichischen Pensionsversicherung angerechnet werden.

Wissen Sie, was das heißt? – Angehörige der Waffen-SS bekommen Ersatzzeiten für die Pension angerechnet, Opfer der NS-Militärjustiz nicht! Und das fehlt ihn Ihrem Antrag. Herr Klubobmann! Ich sage das jetzt zwar empört, aber immer in der Hoffnung, dass Sie das als Anregung verstehen, dass das mit aufgenommen wird. (Abg. Scheib­ner: Sie werden nie zufrieden sein!) Der jetzt schon vielfach zitierte Universitätsprofes­sor Dr. Khol schreibt nämlich in einem Brief, die Zeit der Desertion sei in der Sozial­versicherung wie Wehrdienst anzurechnen. Dazu bedarf es eines Gesetzes. – Dem ist nichts hinzuzufügen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und das wollen wir mit Ihnen, Herr Klubobmann Molterer, mit Ihrer Fraktion, mit Ihnen, Herr Klubobmann Scheibner, gemeinsam im Justizausschuss, wo dieser Antrag dann behandelt wird, auch erreichen.

Das jetzt nur als eine kleine Richtschnur: Wir wollen ein Gesetz zur Rehabilitierung, und wir wollen diesen Punkt drinnen enthalten haben.

Ich möchte diese heutige Dringliche Anfrage – ich glaube, ich bin die letzte Rednerin dazu – schließen mit den Worten von Richard Wadani, dem Sprecher des Personen­komitees Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz. Er war selber Deserteur und hat – und jetzt komme ich auf den Minister a. D. Böhmdorfer zu sprechen – in einem Briefwechsel mit dem Bundesministerium für Justiz im Jahr 2003 – da war eben Dr. Böhmdorfer Minister – zu diesem Thema geschrieben:

„Ich bin kein Jurist. Wenn ich aber im Duden nachschlage, finde ich unter Amnestie folgende Definition: ,das Vergessen; die Vergebung; durch ein besonderes Gesetz, verfügter Straferlass oder verfügte Strafmilderung für eine Gruppe bestimmter Fälle, bes. für politische Vergehen‘.“

Und dann schreibt Richard Wadani weiter: „Es ist ganz bestimmt nicht so, dass das BMJ uns etwas ,zu vergessen oder zu vergeben‘ hat. Ich habe es als meine Pflicht ge­sehen, gegenüber diesem verbrecherischen Nazi-Regime den Fahneneid zu brechen und auf Seiten der Alliierten für die Niederlage der Wehrmacht, der Armee Adolf


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