Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 174

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Nun erhebt der Staatsanwalt wieder eine Mordanklage. Das schaut sich natürlich der Leitende Staatsanwalt an, das schaut sich der Oberstaatsanwalt an – lauter Männer, von denen Sie sagen würden, wenn Sie die Namen hören würden: Um Gottes willen, wie kann ich denn die verdächtigen, grobe Unzulässigkeiten, grobe Oberflächlichkeiten auch nur im Entferntesten zu dulden?!

Gut, es kommt zu dieser Anklage, und dann kommt es zu einem Einspruch gegen die Anklage. Der Einspruch wird von seinem Verteidiger gemacht, meines Wissens auch ein Hochschulprofessor. Dieser Einspruch ist offenkundig sehr ausführlich und sehr begründet – und das Oberlandesgericht überprüft. Also ein Gericht überprüft in einem unabhängigen Senat diese Anklage und hält diese Anklage für gerechtfertigt und richtig und sagt: Ja, dieser Prozess muss stattfinden, weil überwiegend Gründe dafür und weniger Gründe dagegen sprechen, dass es hier zu einer Verurteilung kommen wird.

Nun kommen Sie mit einer Besprechung einer Anfragebeantwortung, bei der Sie heute die Gelegenheit haben, Ihre Anfrage ordentlich, rechtsstaatlich, logisch, richtig – leider muss ich sagen: auch juristisch richtig (da gehören Paragraphen dazu) – zu begründen und auch Überlegungen und die entsprechende Judikatur dazu zu liefern.

In dieser Anfrage rutschen Ihnen Sätze heraus wie: „Bisher haben die befassten StaatsanwältInnen aber keinerlei der gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen getrof­fen. Wir verweisen daher ausdrücklich auf § 84 StPO ...“ – Das ist die Anzeigepflicht, die jeden Beamten, auch die Frau Ministerin als öffentlich Bedienstete trifft. Sie können diese Anzeige aber auch machen. Sie sind ja sonst nicht fad beim Anzeigenerstatten. Das glaube ich schon, nicht?

Dann schreiben Sie: Der Richter hat die Geschworenen belogen, er hat die Bestim­mungen der StPO gebrochen.

Weiter hinten heißt es dann: Die Staatsanwälte sind „ihrem gesetzlichen Auftrag offen­kundig bis heute nicht nachgekommen.“ Es gibt eine „unkontrollierbare Verwendung des § 90 StPO.“ – Das ist natürlich falsch, das wissen Sie ohnehin.

Abschließend fragen Sie: Warum ziehen Sie das unmoralische Angebot eines Verglei­ches – gegenüber dem Mittäter offensichtlich – nicht zurück? Wann bekommt er end­lich die ihm zustehende Entschädigung?

Bitte, Frau Abgeordnete, wenn Sie so versuchen, eine Justizministerin zu beeinflussen, dann haben Sie, muss ich sagen, wirklich ein gestörtes Verhältnis zu unseren rechts­staatlichen Einrichtungen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich das Grundkonzept unserer Rechtsordnung – wir haben das im Bereich der StPO verbessert, das stimmt schon – einmal anschauen. Schauen Sie sich an, wie in Österreich Entscheidungen der Staatsanwälte, der Richter und der Gerichte überprüft werden! Wenn Sie eines Besseren belehrt sind, wenn Sie über einen verbesserten Wissensstand verfügen, dann werden Sie möglicherweise über diese Anfrage und ihre Begründung anders denken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.00


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer, ein „gestör­tes Verhältnis“ zur österreichischen Rechtsordnung unterstellen wir in diesem Haus niemandem, würde ich vorschlagen. (Abg. Dr. Partik-Pablé – in Richtung Präsidentin Mag. Prammer –: Das ist ja paradox, was Sie da sagen! Das ist ja lächerlich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

 


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