Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 112. Sitzung / Seite 31

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Ihnen auch Recht, Herr Kollege Gusenbauer: Die Europäische Union muss sich dieser Rolle bewusst werden! Es kann nicht sein, dass es in einem so schwierigen Prozesszeitraum, während der Anerkennung und Ratifizierung dieser Verfassung, ständig zur Auslagerung von Arbeitsplätzen, zur Auslagerung von wirtschaftlichen Res­sourcen, welche die Union braucht, in fernöstliche Länder kommt und die Union tatenlos zusieht. Die Europäische Union muss auch, bei aller Anerkennung der Welt­handelsorganisation und der Regeln dieser Organisation, diese Rolle spielen. Sie muss beginnen, im Rahmen der negativen Auswirkungen der Globalisierung die Interessen Europas kraftvoll zu vertreten.

Das, glaube ich, muss die Rolle der Europäischen Union sein. Und wenn sie in den nächsten Jahren diese Rolle spielen kann, wenn ihr das gelingt, dann hat sie auch die Möglichkeit, die Bevölkerung für nächste wichtige europapolitische Schritte wieder zu gewinnen. (Präsident Dr. Khol gibt das Glockenzeichen.)

Meine Damen und Herren! Gerade in diesem Zusammenhang hat sich wieder gezeigt, wie heilsam Volksabstimmungen sind. Es tut mir eigentlich Leid, dass wir auch auf österreichischer Ebene diese Volksabstimmung nicht hatten, denn Volksabstimmungen zwingen die Europäische Union, gerade dann, wenn sie einmal negativ ausgehen, zu einem Kurswechsel, zwingen die Europäische Union zu einer Nachdenkpause und vielleicht auf einen besseren Kurs. – Danke sehr. (Beifall bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

9.43


Präsident Dr. Andreas Khol: Zu Wort gelangt nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Gla­wischnig-Piesczek. Ihre Redezeit ist 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete. Ich hoffe, ich habe Ihren Namen richtig ausgesprochen – das Haus gratuliert Ihnen! (Allgemeiner Beifall.)

 


9.43.41

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Danke! – Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die Grünen haben die Euro­päische Verfassung vor wenigen Wochen in dem Bewusstsein ratifiziert, dass es wichtig ist, dass dieses Europa – und das sind wir – eine Verfassung bekommt. Wir als europäische Bürgerinnen und Bürger brauchen eine Verfassung. Mir macht es jetzt Sorge, wie diese Abstimmungen in Holland und in Frankreich dazu verwendet werden, sich wieder abzugrenzen von diesem Projekt Europa, wieder in nationale Stimmungen zu verfallen und auch nationalen Populismus zu betreiben. Und dass man hier sagt: die Europäische Union – und wir hier mit unseren österreichischen Interessen, das ist der komplett falsche Ansatz. Es geht um uns als Europa! Wir brauchen eine Verfassung, wir als europäische Bürgerinnen und Bürger! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Die Politik der Europäischen Union ist nicht etwas Abgehobenes, was irgendwelche Bürokraten in Brüssel entscheiden, sondern das sind Entscheidungen, die der öster­reichische Bundeskanzler, der österreichische Finanzminister, der österreichische Arbeitsminister, der österreichische Umweltminister jeden Monat immer wieder neu treffen. Das sind österreichische Entscheidungen, wir haben hier ein Mitbestim­mungs­recht.

Da bin ich schon etwas irritiert, Herr Bundeskanzler, und ich unterstelle Ihnen auch große Unglaubwürdigkeit, wenn Sie sich nun herstellen und sagen: Na ja, logisch, der Europäischen Verfassung hat die soziale Dimension gefehlt! – Da müssen Sie sich schon zurückerinnern lassen, dass diese Bundesregierung einiges versäumt hat, nämlich genau diese soziale Dimension im Verfassungsvertrag zu verankern. Im Gegenteil. Die Regierungen, und da war auch Österreich mit dabei, haben sogar


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