Ein Drittes, geschätzte Damen und Herren:
Kollege Gusenbauer beharrt in Fernsehinterviews: kein Euro mehr für die
Europäische Union! Erinnern wir uns doch ein paar Wochen zurück: Wir haben im
Hauptausschuss eine intensive Diskussion darüber gehabt, ob Österreich
vertreten soll, dass wir als Nettozahler im Rahmen der Europäischen Union bei
1 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt bleiben sollen. Wir haben das
vertreten, aber wir wurden kritisiert. Was glauben Sie, von wem? – Von der
SPÖ, meine Damen und Herren! Man hat gesagt, das sei die falsche Politik, man
könne sich doch nicht auf eine 1-Prozent-Marke festlegen, wir hätten so viele
Aufgaben in Europa. – Meine Damen und Herren, eine Kehrtwende in der
SPÖ-Politik, die offenbar wirklich gewaltig ist! (Beifall bei der ÖVP und
bei Abgeordneten der Freiheitlichen. – Abg. Dr. Gusenbauer:
1 Prozent ist schon eine Erhöhung!)
Ein wenig entsetzt bin ich schon darüber, denn eine Partei, die eine Kehrtwende der Politik, die sie jetzt jahrelang vertreten hat, innerhalb von wenigen Wochen vollzieht, das ist für mich keine Partei, der man wirklich Verantwortung zutrauen kann, das zukünftige Europa zu gestalten.
Die Probleme sind tatsächlich schwierig, denn die Schlussfolgerungen aus diesen beiden Referenden können wir alle nicht so mit einem Fingerschnipp ziehen und sagen: Das ist die richtige Lösung! (Abg. Dr. Matznetter: Abgemeldet von der sozialen ...!) Es muss sehr behutsam und mit klarem Kopf versucht werden zu erörtern, was denn tatsächlich die Ursache ist. Ob das der Inhalt der Verfassung ist, ob das eher nationale Probleme sind, ob man sich ein Europa wünscht, das stärker ist oder das mehr in Richtung der Nationalstaaten geht, das bedarf wirklich einer Analyse, die man erst anstellen kann, wenn das Bild vollständig ist.
Und das Bild ist noch nicht vollständig. Zehn Staaten haben ratifiziert, darunter Österreich, zwei haben Nein gesagt, die nächsten Volksabstimmungen stehen an, und wir werden erst ein Urteil fällen können, wenn das Bild wirklich vollständig ist. Natürlich muss man das in sehr behutsamer Art und Weise angehen, und man muss auch lernen daraus.
Ich möchte schließen damit, was ein wirklich beachtlicher Europapolitiker, nämlich der frühere deutsche Bundespräsident Herzog, vor dem Europäischen Parlament gesagt hat. Er hat die Frage gestellt: Europa im Zweifel? In Wirklichkeit zweifeln immer wieder Bürger daran, und auch wir manchmal, ob es die richtige Politik ist. Er hat aber auch eine Antwort darauf gegeben, die richtig ist, nämlich: Im Zweifel Europa.
Meine Damen und
Herren! Das ist eine Antwort, zu der eigentlich wir alle stehen sollten. –
Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
9.54
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Verzetnitsch. Auch seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort.
9.54
Abgeordneter Friedrich Verzetnitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Herr Abgeordneter, den Titel lesen! Es steht dort nicht: Kehrtwende in der EU-Verfassung, sondern „Kehrtwende“ (Abg. Mag. Molterer: ... bei der SPÖ!) „in der EU-Politik“. Kehrtwende in der EU-Politik! Und da müssen Sie sich selbst ernst nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien: Entweder stehen Sie zu den Texten der Verfassung, dann bedeutet das tatsächlich eine Kehrtwende in der EU-Politik, oder Sie wollen die alte Politik fortsetzen, den Menschen etwas vorzugaukeln und eine andere Linie zu verfolgen. Darum geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg.