schwingt mit: Wir wissen, was die Wahrheit über Europa ist, die Leute sind allerdings zu dumm, das zu verstehen, wir müssen es ihnen einfach besser erklären.
Ich glaube, das ist ein Fehlschluss, denn das würde ja bedeuten, dass ohnehin alles richtig gemacht wird in Europa, dass es nur schlecht erklärt wird. Ich glaube, damit trifft man den Kern der Unzufriedenheit nicht, und meine, es muss eine Veränderung in der Politik Europas stattfinden.
Und Tony Blair hat Recht: Ein Kontinent kann schwer von sich behaupten, ein soziales Europa zu sein, wenn wir 20 Millionen Arbeitslose haben. Dies Frage wurde in den letzten Jahren rhetorisch natürlich oft genug strapaziert, aber die Menschen haben nicht den Eindruck, dass dementsprechend gehandelt wird.
Und ich sage Ihnen noch ein Beispiel. Es geht nicht darum, die Festung Europa zu etablieren, aber die Vereinigten Staaten von Amerika beispielsweise hätten sich nicht sechs Monate lang Zeit gelassen, um Maßnahmen gegen die überbordenden Textilimporte aus China und Südostasien zu setzen, die im Übrigen manchmal sogar unter den Bedingungen von Kinderarbeit und unter Auslastung aller prinzipiellen Arbeitsrechtsstandards produziert wurden. Und das hat nichts mit internationaler Solidarität zu tun, dass man sagt: Wir wollen die Märkte öffnen für diese Art von Arbeit, für diese Sonderwirtschaftszonen, in denen im Übrigen alle Gewerkschafts- und Arbeitsrechte außer Kraft gesetzt sind.
Ich bin für einen fairen Wettbewerb, aber einen Wettbewerb mit Kinderarbeit, mit Zwangsarbeit und ohne Arbeitsrecht, einen solchen Wettbewerb wollen wir als Europäer und als Österreicher bei uns nicht haben! (Lebhafter Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und der Freiheitlichen.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es um das Auftreten in der Welt geht, bin ich absolut mit einem gemeinsamen Auftreten Europas in der Welt einverstanden. Aber, meine Damen und Herren, wo ist dieses gemeinsame Auftreten? Bis zum heutigen Tag ist die Europäische Union weder in den Vereinten Nationen imstande, gemeinsam als Europa aufzutreten, noch, was viel wichtiger ist, in den internationalen Finanzinstitutionen.
Und wenn wir sagen, dass Europa nicht abhängig sein soll, sondern dass Europa dort eigenständig auftreten soll und wir ein Gegengewicht in der Welt darstellen wollen, um zu zivilisierten Bedingungen zu kommen, dann wäre ein Zeichen dafür – und dazu braucht man nicht die Verfassung, Herr Kollege – die Bündelung der Stimmrechte in den internationalen Finanzinstitutionen. Das hätte Europa schon längst machen können, auch ohne Verfassung.
So aber fehlt es hier an Glaubwürdigkeit, weil die Maßnahmen zu einem eigenständigen, starken Auftreten Europas in der Welt bisher leider nicht gesetzt wurden. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)
Um konkret zu sein, Herr Bundeskanzler – es stehen ja konkrete Fragen wieder an, und Sie haben auch auf Fragen der Liberalisierung hingewiesen, die kritisch gesehen werden, und Ähnliches –: In diesen Tagen wird im Europäischen Parlament etwas diskutiert, was viele Menschen nicht mitverfolgen, nämlich eine Gesetzgebung über den Patentschutz bei Software, etwas, was im Kern eine ganz, ganz wesentliche Angelegenheit ist. Da geht es zum Beispiel darum, ob in Zukunft die kleine, aber sehr feine und erfolgreiche österreichische Software-Entwicklung – wo es viele mittelständische Unternehmungen gibt, wie übrigens auch in anderen Staaten Europas – eine Chance hat, oder ob es dort zu einer Beschlussfassung kommt, wonach ausschließlich die großen Software-Konzerne der Welt bestimmen werden, was geschieht, weil nur diese die finanzielle Macht der Rechtsdurchsetzung bei diesen Patenten haben werden.