gliedstaaten. So verständlich der Wunsch
nach einem behutsamen „phasing out“ seitens der bisherigen Empfängerländer
bzw. -regionen auch ist, hier braucht es eine deutliche Akzentverschiebung. Die
Europäische Union wurde 2004 um zehn neue Mitgliedstaaten erweitert, acht
davon sind deutlich ärmer, als die meisten „alten“ EU-Mitglieder. Es ist daher
unbedingt erforderlich, die Konvergenz-Förderung vor allem ihnen zugute kommen
zu lassen, um deren wirtschaftlichen Aufholprozess zu beschleunigen und
zugleich einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese Länder auch in der Lage
sind, so viele europäische Waren und Dienstleistungen zu beziehen, wie dem
Bedarf in diesen Ländern entspricht. So könnte durch zielgerichtete Förderung
ein doppelt positiver Effekt in den neuen und in den bisherigen
EU-Mitgliedsstaaten entstehen.
Freilich gilt es bei gleicher
Gelegenheit auch die Grundlagen des europäischen Solidarmodells deutlich in
Erinnerung zu rufen und zur Basis der Kooperation zwischen reichen und ärmeren
EU-Mitgliedern zu machen. Hohe Direktförderungen für ärmere Regionen in der EU
sind gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in den Nettozahlerländern
jedenfalls dann nicht zu rechtfertigen, wenn die Zahlungen der EU wirtschaftliche
Basis dafür sind, in den Empfängerländern die Unternehmenssteuern so zu reduzieren,
dass dies durch Betriebsverlagerungen die Steuerbasis (Betriebe, Arbeitsplätze)
in den Zahlerländern angreift. Voraussetzung für solidarische Finanztransfers
in arme Regionen muss daher die Bereitschaft der Empfängerländer sein, auf
Steuerwettbewerb bzw. Steuerdumping gegenüber den Zahlern zu verzichten.
Der seit mehr als zwanzig Jahren
bestehende Beitragsrabatt für das Vereinigte Königreich zum EU-Budget mag
seinerzeit begründbar gewesen sein. Er ist es jedenfalls im Lichte der
Erweiterung von 2004 nicht mehr. Auch hier bedarf es klarer und eindeutiger
Zeichen, dass das europäische Solidarmodell nicht in der finanziellen
Begünstigung der reicheren, sondern in der Unterstützung der Entwicklung der
ärmeren Regionen besteht und bestehen soll.
Bei der Diskussion um die finanzielle
Vorausschau für 2007 - 2013 muss es primär um die Frage gehen, wie die EU auf
die Herausforderungen der Globalisierung
reagieren und wie sie gerechter und bürgernäher werden kann. Dabei geht
es um Investitionen in zukunftsträchtige Bereiche wie Forschung und
Entwicklung, in zentrale Infrastrukturbereiche (Breitband, Schiene, Strasse)
bzw. in den Bereich Sicherheit – insgesamt in Wachstum, Beschäftigung und
Sicherheit. Die Lösung dieser Herausforderung kann nicht einfach darin
bestehen, ausschließlich mehr Geld der europäischen Steuerzahler zu verlangen,
ohne zuvor wesentliche Fehlentwicklungen zu beheben. Die Staats- und
Regierungschefs der EU und ihre Finanzminister müssen sich der Frage stellen,
wie lange sie es sich leisten wollen, weiterhin mehr als 40% ihres Budgets für
die Landwirtschaft auszugeben – für einen Sektor, der nur fünf Prozent der
EU-Bevölkerung Beschäftigung bietet – obwohl der Bedarf an Investitionen und
damit auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze so groß ist. Immerhin sind
derzeit etwa 20 Millionen Menschen in der EU ohne Erwerbseinkommen.
Die Verhandlungen über einen neuen
Finanzrahmen der Europäischen Union (finanzielle Vorausschau 2007 – 2013)
konnten auf Grund der unterschiedlichen nationalen Egoismen der Mitgliedstaaten
über die künftige finanzielle Schwerpunktsetzung beim Europäischen Rat am 16.
und 17. Juni 2005 noch nicht zu einem Abschluss gebracht werden. Diese Tatsache
sollte als Chance verstanden werden, das dringend nötige Signal an die
Bürgerinnen und Bürger der EU zu senden:
es soll und wird mehr Geld für
zukunftsträchtige Projekte, für neue Arbeitsplätze, für Forschung, Entwicklung
und Infrastruktur geben;