Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 80

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gliedstaaten. So verständlich der Wunsch nach einem behutsamen „phasing out“ sei­tens der bisherigen Empfängerländer bzw. -regionen auch ist, hier braucht es eine deutliche Akzentverschiebung. Die Europäische Union wurde 2004 um zehn neue Mit­gliedstaaten erweitert, acht davon sind deutlich ärmer, als die meisten „alten“ EU-Mit­glieder. Es ist daher unbedingt erforderlich, die Konvergenz-Förderung vor allem ihnen zugute kommen zu lassen, um deren wirtschaftlichen Aufholprozess zu beschleunigen und zugleich einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese Länder auch in der Lage sind, so viele europäische Waren und Dienstleistungen zu beziehen, wie dem Bedarf in die­sen Ländern entspricht. So könnte durch zielgerichtete Förderung ein doppelt positiver Effekt in den neuen und in den bisherigen EU-Mitgliedsstaaten entstehen.

Freilich gilt es bei gleicher Gelegenheit auch die Grundlagen des europäischen Soli­darmodells deutlich in Erinnerung zu rufen und zur Basis der Kooperation zwischen reichen und ärmeren EU-Mitgliedern zu machen. Hohe Direktförderungen für ärmere Regionen in der EU sind gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in den Nettozahler­ländern jedenfalls dann nicht zu rechtfertigen, wenn die Zahlungen der EU wirtschaft­liche Basis dafür sind, in den Empfängerländern die Unternehmenssteuern so zu redu­zieren, dass dies durch Betriebsverlagerungen die Steuerbasis (Betriebe, Arbeits­plätze) in den Zahlerländern angreift. Voraussetzung für solidarische Finanztransfers in arme Regionen muss daher die Bereitschaft der Empfängerländer sein, auf Steuer­wettbewerb bzw. Steuerdumping gegenüber den Zahlern zu verzichten.

Der seit mehr als zwanzig Jahren bestehende Beitragsrabatt für das Vereinigte König­reich zum EU-Budget mag seinerzeit begründbar gewesen sein. Er ist es jedenfalls im Lichte der Erweiterung von 2004 nicht mehr. Auch hier bedarf es klarer und eindeutiger Zeichen, dass das europäische Solidarmodell nicht in der finanziellen Begünstigung der reicheren, sondern in der Unterstützung der Entwicklung der ärmeren Regionen besteht und bestehen soll.

Bei der Diskussion um die finanzielle Vorausschau für 2007 - 2013 muss es primär um die Frage gehen, wie die EU auf die Herausforderungen der Globalisierung  reagieren und wie sie gerechter und bürgernäher werden kann. Dabei geht es um Investitionen in zukunftsträchtige Bereiche wie Forschung und Entwicklung, in zentrale Infrastrukturbe­reiche (Breitband, Schiene, Strasse) bzw. in den Bereich Sicherheit – insgesamt in Wachstum, Beschäftigung und Sicherheit. Die Lösung dieser Herausforderung kann nicht einfach darin bestehen, ausschließlich mehr Geld der europäischen Steuerzahler zu verlangen, ohne zuvor wesentliche Fehlentwicklungen zu beheben. Die Staats- und Regierungschefs der EU und ihre Finanzminister müssen sich der Frage stellen, wie lange sie es sich leisten wollen, weiterhin mehr als 40% ihres Budgets für die Land­wirtschaft auszugeben – für einen Sektor, der nur fünf Prozent der EU-Bevölkerung Beschäftigung bietet – obwohl der Bedarf an Investitionen und damit auch zur Schaf­fung neuer Arbeitsplätze so groß ist. Immerhin sind derzeit etwa 20 Millionen Men­schen in der EU ohne Erwerbseinkommen.

Die Verhandlungen über einen neuen Finanzrahmen der Europäischen Union (finan­zielle Vorausschau 2007 – 2013) konnten auf Grund der unterschiedlichen nationalen Egoismen der Mitgliedstaaten über die künftige finanzielle Schwerpunktsetzung beim Europäischen Rat am 16. und 17. Juni 2005 noch nicht zu einem Abschluss gebracht werden. Diese Tatsache sollte als Chance verstanden werden, das dringend nötige Signal an die Bürgerinnen und Bürger der EU zu senden:

es soll und wird mehr Geld für zukunftsträchtige Projekte, für neue Arbeitsplätze, für Forschung, Entwicklung und Infrastruktur geben;

 


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