Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 115. Sitzung / Seite 129

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Lebensbereiche. Im Vergleich zu anderen Staaten kann das Behindertengleichstel­lungsgesetz als eines der umfangreichsten Behinderteneinstellungsgesetze bezeichnet werden, das international sicherlich im Spitzenfeld liegt, insbesondere im Vergleich zum deutschen.

Frau Kollegin Lapp, Sie werden sicherlich wissen, wie es in der Bundesrepublik Deutschland ist, dort ist das Behindertengleichstellungsgesetz seit 1. Mai 2002 in Kraft. Das dortige Gesetz kennt keine Rechtsfolgen, keine Zumutbarkeitsprüfung. Es gilt nur für die öffentliche Verwaltung und für den Behinderten selbst, es gibt also keinen Angehörigenschutz wie bei uns. Auch in der Schweiz, in Frankreich, Ungarn und Bel­gien gibt es keinen Angehörigenschutz; bei uns sehr wohl.

In Frankreich sind keine Rechtsfolgen vorgesehen. Und jenes Gesetz, das 1992 in den USA geschaffen worden ist, hat, was die Verkehrsmaßnahmen betrifft, überdurch­schnittlich lange Übergangsfristen bis zum Jahr 2020; bei uns sind es 10 Jahre, also wesentlich kürzer.

Sehr geehrte Damen und Herren! Was die Frage der Klagsmöglichkeit auf Unterlas­sung betrifft – ein Punkt, der hier von Frau Abgeordneter Mag. Grossmann kritisiert worden ist –, muss ich eines sagen: Es wurde davon abgesehen, weil verfassungs- und zivilrechtliche Vorbehalte bestehen. Ich erwähne dazu nur ein Beispiel:

Einem Mieter oder einem Pächter eines Geschäftslokales ist es im Falle einer Verur­teilung nicht möglich, gegen den Willen des Eigentümers für Barrierefreiheit zu sorgen. Und das ist das Problem dabei (Zwischenruf der Abg. Haidlmayr), und deswegen haben wir davon Abstand genommen, Frau Kollegin Haidlmayr!

Das Behindertengleichstellungsgesetz bringt durch die Barrierefreiheit auch viele Vor­teile für die österreichischen Familien. Ich denke nur daran, dass zum Beispiel eine Mutter mit dem Kinderwagen wesentlich mehr Platz braucht als ein behinderter Mensch mit dem Rollstuhl. Daher, muss ich sagen, bringt das auch in diesem Bereich etwas, und es ist mittels kleiner Adaptierungen vor allem für Seh- und Hörbehinderte relativ viel zu erreichen.

Geschätzte Damen und Herren! Im Großen und Ganzen ist es mit Sicherheit ein gutes Gesetz geworden. Man kann natürlich immer wieder an Verbesserungen arbeiten, aber, wie ich schon gesagt habe, es war ein Kompromiss.

Lassen Sie mich jetzt noch einige Worte zur Anerkennung der Österreichischen Ge­bärdensprache sagen. Nach jahrelangen verbalen Auseinandersetzungen und intensi­ven Diskussionen ist es jetzt endlich so weit, dass die Österreichische Gebärden­sprache als eigenständige und vollwertige Sprache anerkannt und in die Verfassung aufgenommen wird. Das ist ein wesentlicher Schritt, sehr geehrte Damen und Herren, und damit hat man dem Wunsch vieler Gehörloser Rechnung getragen. Und es soll auch in allen neuen Gesetzesinitiativen Berücksichtigung finden.

Die Gebärdensprache trägt zur Gleichstellung gehörloser Menschen und auch anderer bei und ist als Ergänzung zum Behindertengleichstellungsgesetz zu sehen. Das nun vorliegende Behindertengleichstellungspaket samt verfassungsrechtlicher Verankerung der Gebärdensprache bedeutet einen wichtigen Schritt für die Behindertenpolitik in Österreich, und es kann tatsächlich Anspruch darauf erhoben werden, dass die darin enthaltenen Regelungen selbstverständlich für alle Österreicherinnen und Österreicher im wahrsten Sinne des Wortes auch lebbar werden.

Geschätzte Damen und Herren! Ich glaube, wir können im Großen und Ganzen sehr zufrieden sein mit dem Behindertengleichstellungsgesetz, mit dem gesamten Paket und mit der Verankerung der Gebärdensprache in der österreichischen Verfassung. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

14.37

 


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