Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 116. Sitzung / Seite 151

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Die Regierungsfraktionen stehen selbstverständlich hinter dem vorliegenden Antrag, und ich glaube auch, dass es falsch ist, darüber zu behaupten, dass im Justiz­ministerium ein seit 1946 ununterbrochen in Gültigkeit befindliches Gesetz „gefunden“ worden sei.

Ich frage mich schon, auf der anderen Seite: Was sind das für Wissenschaftler, die diesen Fragenkomplex seit 1933 bis zum Jahre 2000 herauf bearbeitet und aus ihrer Sicht erläutert haben, die aber wichtige Amnestiegesetze in ihren Betrachtungen einfach nicht berücksichtigt haben? – Ich glaube, dass da durchaus die berechtigte Frage zu stellen ist, ob der eine oder andere die wissenschaftliche Sorgfalt für seine Expertisen tatsächlich so umfassend wahrgenommen hat, wie man sich das bei der Wissenschaftlichkeit und bei wissenschaftlichen Kriterien, die man an Expertisen anzulegen hat, auch erwarten kann.

Tatsache ist, dass die von Kollegin Stoisits und von Ihnen, Herr Kollege Jarolim, apostrophierten Deserteure durch das Gesetz und durch die Amnestiegesetze voll umfasst sind. Tatsache ist auch, dass die etwa 1995 erst in den Kreis der Opfer mit aufgenommenen Zeugen Jehovas in gleicher Weise drinnen sind wie viele andere kleine Gruppen, die nicht expressis verbis aufgezählt sind.

Wir haben, Herr Kollege Jarolim und Frau Kollegin Stoisits, tatsächlich einen großen Unterschied in unseren Auffassungen: dass nämlich Opfer und das Leid der Ange­hörigen mit den Opfern und die Trauer um die Angehörigen, die Opfer geworden sind, für uns unteilbar sind, während Sie offensichtlich ideologische Schranken haben und hier Opfer erster, zweiter und dritter Wahl vorsehen. Das wollen wir nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es soll auch hier in dieser Form klargestellt werden, was uns unterscheidet und was uns hier daher auch zu einem unterschiedlichen Gesetzestext geführt hat.

Es ist mir auch nie – und Sie können auch die seinerzeitigen Debattenbeiträge in den neunziger Jahren hier im Hohen Haus nachlesen – in Erinnerung zu bringen, was es für meine Familie für eine Bedeutung haben sollte und was es in der Trauer unserer Familie um unsere Verwandten für einen großen Unterschied machen sollte, ob zwei jüdische Verwandte meiner Familie vor dem Mai 1945 von den Nationalsozialisten umgebracht worden sind oder ob sie im Juni 1945 von den Beneš-Schergen umge­bracht worden sind. Der Schmerz in der Familie ist der gleich starke um den Verlust der gleichen Personen geblieben. Ich glaube daher auch, dass man sich in Anbetracht der aus dem Umgang mit Opfern und mit Opfergruppen gewonnenen Erfahrung hüten sollte – gerade 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges –, die Leiden, den Schmerz und den sehr subjektiven Schmerz der einzelnen Angehörigen aus dieser Zeit sehr unterschiedlich zu gewichten und sehr unterschiedlich festzustellen.

Ich hätte mir – und das sage ich auch klar – daher eine andere Staffelung vorgestellt. Ich hätte mir vorgestellt, die Staffelung gleich zu machen, wie es im österreichischen Sozialsystem üblich ist, nämlich die Zahlungen so zu gestalten, dass die Opfer 100 Prozent der Leistungen bekommen und die Hinterbliebenen – so, wie es im Sozialsystem üblich ist – zwei Drittel der Leistungen. Dann hätte das auch die Sym­metrie mit den übrigen Sozialleistungen in Österreich aufgewiesen. Man hat sich jedoch an die Staffelungen der Vergangenheit angelehnt und hat daher eine andere Staffel festgelegt. Das mag für die betroffene Gruppe durchaus Sinn machen; im Hinblick auf die Integration des österreichischen Sozialsystems und die Integration und die Angleichung, die auch im Zusammenhang mit den Pensionszeiten Gegenstand der Diskussion und Wunsch aller vier Parlamentsfraktionen war, wenn ich die Diskus­sionen richtig verfolgt habe, haben wir hier einen Fremdkörper beibehalten – eine Angelegenheit, die man aus verwaltungsökonomischen Gründen auch gescheiter lösen


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