Union verkraften kann, dass die Türkei
einmal Vollmitglied dieser Union wird. Wir sind dazu die Einzigen in ganz
Europa, aber ich glaube, wir sollten genau diese Linie, die der Bundeskanzler
und die Außenministerin vorgegeben haben, von Seiten des Nationalrates voll
unterstützen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Das ist nicht nur eine Frage, die wir als Abgeordnete hier im Nationalrat so sehen, sondern ich glaube, dass ein Großteil der österreichischen Bevölkerung dieser Meinung ist.
Zum Vierten, meine Damen und Herren: Um Wirtschaft, Wachstum und Arbeitsplätze zu fördern, brauchen wir natürlich auch ein entsprechendes Regelwerk. Aber auch da ist große Zurückhaltung angesagt. Wir haben heute, wenn wir den Binnenmarkt betrachten, glaube ich, einen fast perfekten Zustand erreicht. Über viele Jahre hat die Europäische Union dazu beigetragen, dass innerhalb der Grenzen der Europäischen Union der Handel faktisch grenzenlos ist. Ich halte das für gut und richtig, aber die Frage ist: Wollen wir auf diesem Weg jetzt noch bis in das letzte Detail weitergehen? Wollen wir dazu beitragen, dass es noch viel mehr Regeln in dieser Richtung gibt – oder wollen wir nicht auch einmal einen anderen Weg vorschlagen, Zurückhaltung an den Tag legen? Ich glaube, wir haben mittlerweile ein umfassendes Regelwerk in Europa, das es nicht erforderlich macht, noch eine und eine nächste und eine übernächste Richtlinie auf den Tisch zu legen. Ich glaube, dass Zurückhaltung, wie das jetzt etwa diskutiert wurde im Zusammenhang mit dieser „Décolleté-Richtlinie“, wie sie genannt wurde, durchaus angebracht ist. Weniger Regeln bringen oft mehr, als wir durch sehr viele Regeln bis ins letzte Detail erreichen können.
Lassen Sie mich einen fünften und letzten
Punkt festhalten: Ich glaube, dass die zukünftige Aufgabe der Union in
Wirtschaft, Wachstum und Arbeitsplätzen viel mehr darin liegt, nach außen
stärker aufzutreten. Es ist viel mehr notwendig, dass Europa mit einem
Selbstbewusstsein am Weltmarkt uns auch in der WTO und allen anderen Organisationen
davor schützt, dass die negativen Folgen der Globalisierung auch Europa
fokussiert treffen, dass wir miteinander dazu beitragen – auch mit
Stolz! –, dass wir in Europa ein hohes Wohlstandsniveau auf breiter Basis
haben und dieses auch halten wollen und uns nicht von anderen ständig einreden
lassen, dass wir hier reduzieren müssen. Ich glaube daher, die zukünftige
Aufgabe der Union in Richtung Wirtschaft liegt nicht im Inneren, sondern im
Äußeren, und dazu können wir alle auch einen großen Beitrag leisten. (Beifall
bei der ÖVP sowie des Abg. Scheibner.)
Ich hoffe sehr, geschätzte Damen und
Herren, dass wir mit dem Europatag im Nationalrat eines erreichen: dass der
Funke überspringt, dass wir von der Diskussion hier in unserem Nationalrat auch
einige Impulse geben können, dass in Österreich mehr darüber diskutiert wird,
wie sinnvoll und richtig es ist, in Europa zu sein, wie notwendig es ist, dass
Österreich sich dort einbringt, und wie sehr wir alle dazu beitragen müssen,
dass Europa für jeden Bürger auch erlebbar ist. – Danke schön. (Beifall
bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
9.38
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. Seine Redezeit beträgt 10 Minuten. (Abg. Mag. Lunacek spricht, vor der ersten Bankreihe stehend, mit Abg. Dr. Van der Bellen.) Ich bitte die Abgeordneten, dem Redner nicht den Rücken zuzukehren!
9.38
Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bundesregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen als sozialdemokratische Fraktion die Abhaltung dieses Europatages, weil er in der Tat die Möglichkeit bietet, auch auf nationaler Ebene wesentliche europapolitische Fragen zu diskutieren