Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / Seite 180

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir kommen somit zur Debatte.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pendl. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.45.23

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! In der Geschichte der Zweiten Republik hat es zwölf Amnestiegesetze gegeben, das letzte 1995, dem fünf gleich lautende Anträge der Parlamentsfraktionen hier im Hause zugrunde lagen. Ich glaube, dass es uns allen gut angestanden wäre, in dem Jahr der Jubiläen, in dem wir gemeinsam 60 Jahre Frieden, 50 Jahre Freiheit und noch viele Jubiläen mehr gefeiert haben, gerade in solch einem Jahr ein Amnestiegesetz zu beschließen. Ich meine, das wäre auch eine Geste der Menschlichkeit gewesen.

Es wäre sicherlich neben dieser menschlichen Geste auch ganz pragmatisch für uns gewesen, geschätzte Frau Bundesministerin. Da wir in unseren Justizanstalten derzeit über 9 000 Insassen unterzubringen haben und wahrscheinlich um die 170 von der WB betroffen sein werden, werden wir in das neue Jahr mit einem Insassenstand gehen, der wieder um einige hundert höher als vor einem Jahr sein wird. Was das für unsere Justizanstalten und für das Personal in diesen Anstalten bedeutet, wissen, glaube ich, alle Insider. Ich meine daher, wenn man diesen Punkt von der Menschlichkeit her betrachtet, wäre es wirklich an der Zeit gewesen, auch heuer, im Jahr der Jubiläen, diese Amnestie zu beschließen. Ganz pragmatisch hätte es uns sicher auch in unseren Justizanstalten gut getan.

Vielleicht – allerdings glaube ich es nicht, aber vielleicht – gibt es noch eine Chance, dass Sie in den nächsten Minuten von Ihrer Meinung abrücken werden. Ich glaube, die Diskussion im Ausschuss hat es ja gezeigt: Ich finde keinen Ansatz, dies hier aus generalpräventiven Gründen abzulehnen. Probieren wir es gemeinsam, das Jahr der Jubiläen mit einem Amnestiegesetz abzuschließen! (Beifall bei der SPÖ.)

18.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Fekter. Wunschredezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


18.47.59

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Fekter (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Der Amnestieantrag von SPÖ und Grünen ist aus heutiger Sicht nach den Erfahrungen mit der Amnestie 1995 rechtsstaatlich höchst bedenklich. Die Amnestie 1995, welche damals im Parlament einstimmig beschlossen wurde, hat nämlich sehr negative Auswirkungen gezeigt. (Abg. Dr. Jarolim: Das ist ja absurd!) Es ist daher nicht gerechtfertigt, im heurigen Gedenkjahr nochmals eine gleich lautende Amnestie einzubringen.

Herr Kollege Jarolim, die Frau Ministerin hat es im Justizausschuss deutlich aus­geführt. Durch die Amnestie 1995 haben Straffällige einen Rechtsanspruch bekom­men, und es kam nicht mehr auf die Individualprüfung an: Rechtsanspruch auf Straf­nachlass, Niederschlagung des Verfahrens und vorzeitige Entlassung. Die Straffälligen haben seit 1995 extensiv davon Gebrauch gemacht. Viele Verfahren wurden gar nicht eingeleitet beziehungsweise die Strafverfolgung eingestellt, über 10 000 rechtskräftige Urteile wurden nicht vollstreckt! Hier hat der Gesetzgeber mit einem Beschluss die


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