Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 129. Sitzung / Seite 181

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Entscheidungen der unabhängigen Justiz außer Kraft gesetzt. Im Hinblick auf die Gewaltentrennung ist dies rechtsstaatlich höchst bedenklich!

Die negativsten Erfahrungen haben wir aber mit dem § 3 gemacht, der bedingten Nachsicht, also vorzeitigen Entlassung. Nach dem Begnadigungsrecht, wonach der Einzelfall geprüft wird, sind Rückfallstäter nicht begnadigungsfähig. Jedoch mit der Amnestie 1995 sind eine Fülle von Rückfallstätern vorzeitig entlassen worden, weil sie auf ihren Rechtsanspruch gepocht haben, und schon wieder straffällig geworden, zu einem Zeitpunkt, zu dem sie eigentlich, ohne Amnestie, noch im Gefängnis hätten sitzen müssen.

Das heißt, es ist nicht gerechtfertigt, so großzügig die Gefängnistore zu öffnen! Das entspricht nicht dem Willen der Bevölkerung, es entspricht auch nicht unserem Willen, und es ist im Hinblick auf die Gewaltenteilung höchst problematisch. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

18.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundes­ministerin Mag. Gastinger. – Bitte, Frau Ministerin.

 


18.50.28

Bundesministerin für Justiz Mag. Karin Gastinger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Frau Abgeordnete Fekter hat bereits ausgeführt, dass ich im Justizausschuss sehr ausführlich dargelegt habe, was der Unterschied ist zwischen dem Gnadenwesen und dem Amnestiegesetz, wie es nunmehr hier vorliegt und wir es diskutieren. Ich darf dazu noch einmal darlegen, dass es im Bereich des Gnadenwesens um einen Hoheitsakt des Bundespräsidenten auf Vorschlag der Justizministerin geht. Hier gibt es keinen Rechtsanspruch auf Gnade. Ganz besonders wichtig ist im Bereich des Gnadenwesens auch der Aspekt, dass hier eine strenge Einzelfallbeurteilung erfolgt und jeweils der Einzelfall geprüft wird; zudem muss im Einzelfall auch noch ein spezieller Gnadengrund vorliegen.

Wir haben auf der anderen Seite im Bereich des Gnadenwesens auch die Möglichkeit, einen Gnadenerlass vorzunehmen. Das ist die Weihnachtsbegnadigung, die wir alljährlich machen; dieser Erlass ist auch dieses Jahr bereits draußen. Im Bereich des Gnadenwesens gibt es somit alljährlich eine Weihnachtsbegnadigung, aber die ist in keinem Fall so umfangreich, wie es die Amnestie wäre, die nunmehr vorgeschlagen wurde. Im Gegensatz dazu ist im Bereich der Amnestie vorgesehen, dass durch einen Beschluss des Nationalrates, also durch ein Gesetz, generell abstrakt definierte Gruppen von Rechtsbrechern bestimmte Begünstigungen gewährt bekommen sollen.

Wichtig ist – und das hat die Frau Abgeordnete ganz richtig dargelegt –, dass im Bereich des Amnestiewesens die Begünstigten praktisch einen durchsetzbaren Rechts­anspruch haben und dass der Vollzug der Amnestie den Gerichten zukommt, wogegen im Bereich des Gnadenwesens in Abstimmung mit dem Herrn Bundes­präsidenten vorgegangen wird, der die letzte Entscheidung über den einzelnen Gnadenfall trifft. Hier ist es jedoch anders, hier sind es die Strafgerichte.

Unsere Erfahrungen mit den Amnestiebegünstigungen in den letzten 30 Jahren waren unterschiedlich. So hat die Amnestie 1975 lediglich im untersten Strafbereich und bei relativ niedrigen Vorstrafenbelastungen die Begünstigungen vorgesehen. Die Amnestie 1985 war noch strenger. Aber die Amnestie 1995, die die Vorlage für den nun hier debattierten Gesetzesvorschlag bildet, war sehr großzügig ausgelegt.

Das Modell hat hier drei Aspekte vorgesehen – das ist auch der Gegenstand dieser heutigen Verhandlung –, wonach auf der einen Seite im § 1 eine Einstellung von Strafverfahren vorgesehen war. Ganz generell ist es hier ein Problem, dass wir


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