Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 205

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19.44.57

Abgeordneter Peter Marizzi (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staats­sekretär! Hohes Haus! Ob man jetzt über ein einstufiges oder zweistufiges Verfahren redet: Ich glaube, es besteht heute in diesem Hohen Haus ein Grundkonsens der Mehrheit, über eine Erweiterung um Bulgarien und Rumänien zumindest einmal in einem ersten Schritt zu reden. Es geht ja heute nicht um den Beitritt, sondern es geht um den Prozess. Und ob man heute über Vertiefungen oder über Erweiterungen spricht, es ist jedenfalls ein Signal, das das Parlament am heutigen Tag an diese beiden Länder sendet.

Natürlich muss man auf eines achten: dass man bei all diesen Beitrittsverhandlungen und auch beim Monitoring auch auf Seiten der Regierenden die Resonanzen aus der Bevölkerung aufnimmt. Und es kann nicht – das soll man auch offen sagen – jetzt einige Zeit lang einen kritiklosen Zustand geben, sondern man soll über die Dinge, mit denen die Menschen, die von dieser Erweiterung betroffen sind, sich auseinander setzen, einfach reden.

Es ist im Verfassungsausschuss dieser Regierungsvorlage einstimmig zugestimmt worden – das ist wichtig und richtig –, und vorneweg sei gesagt: Wir stimmen natürlich dieser Vorlage zu. Die wirtschaftliche Bedeutung ist schon angeschnitten worden: eine Europäische Union, die dann später 480 Millionen Menschen als Einwohner haben soll. Österreich ist der größte Investor in Bulgarien und Rumänien, darauf sind wir stolz. In Rumänien gibt es zum Beispiel 3 700 österreichische Beteiligungen mit rund 7 Milliar­den €, in Bulgarien sind es 650 Beteiligungen mit 3 Milliarden €. Es ist eine Außen­handelsbilanz, die sich sehen lassen kann, und wir sind stolz darauf, dass die österreichischen Unternehmen den richtigen Schritt in diese Länder gemacht haben.

Das ist alles hervorragend, Herr Bundeskanzler, aber: Wenn zum Beispiel auf der einen Seite Rumänien – ich nehme jetzt dieses Land als Beispiel her – eine Flat Tax von 16 Prozent hat und gleichzeitig Nettoempfänger ist, und die EU finanziert zum Beispiel die Infrastruktur – was ja ganz wichtig und notwendig ist –, und auf der anderen Seite mit diesem Steuerdumping natürlich wieder – ich drücke es jetzt einmal verkürzt und sozusagen brutal aus – der Industrietourismus, Herr Bundeskanzler, in Gang gesetzt und forciert wird, dann wird den Menschen in Österreich schon angst und bang. Ich will jetzt nicht in diese Debatte negative Gedankenströmungen hineinbringen, aber wenn sie die Zeitungen dieser Woche gelesen haben und wissen, was in der Obersteiermark und im südlichen Niederösterreich passiert ist, wo Betriebe aus dem Stand nach Polen und in die angrenzenden Länder gehen, dann haben die Menschen in Österreich schon Bedenken hinsichtlich solcher Prozesse, denn, Herr Bundes­kanzler, der Euro ist relativ rasch eingeführt worden, und die Steuersysteme driften auseinander. Natürlich haben diese Länder berechtigte – oder unberechtigte, je nach der Perspektive, aus der man es sieht – Sehnsüchte, Industrieunternehmungen anzu­ziehen. Aber es kann doch nicht sein, dass man zum Beispiel den Euro recht schnell einführt oder positiv einführt, die Steuersysteme und die Steuerharmonisierung aber Jahre brauchen.

Das heißt: Die SPÖ steht zu Europa und zu einer sinnvollen Erweiterung. Wir setzen uns auch mit den hohen Arbeitslosenraten auseinander. Wir setzen uns auch mit dem Auseinanderdriften dieser Gesellschaft und vor allem mit der Entsolidarisierung auseinander. Und was uns besonders am Herzen liegt – das soll heute auch ausge­sprochen werden –, ist die Thematik betreffend die Renaissance der AKWs: Wenn ich schon wieder höre, dass als Nächstes vielleicht die Ukraine kommt, nur deshalb, weil vielleicht dort 20 oder 30 AKWs genehmigt sind, dann meine ich, dass wir uns mit dieser Sache sehr kritisch auseinander setzen müssen.

 


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