Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 246

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beispielsweise Anfang Dezember bekannt, dass neben den österreichischen Konsu­laten in Budapest, Belgrad und Bukarest, wo in den Jahren 2002 und 2003 offenbar tausende illegale Visa gegen Entgelt ausgestellt wurden, nun auch die österreichische Vertretung in Kiew im Visier der Fahnder steht. Innerhalb eines Jahres sollen in Kiew 28.000 illegale Visa ausgestellt worden sein. Eine Sprecherin der Außenministerin ließ dazu wissen, dass sie „mögliche Verfehlungen von einzelnen Mitarbeitern“ nicht ausschließe. Alle bisherigen Kontrollen hätten aber eben nichts zutage gefördert“ (Der Standard, 1. 12. 2005).

Handelt es sich, wie die Außenministerin nach wie vor behauptet, tatsächlich nur um „ein paar schwarze Schafe?“ (Kurier, 2. 12. 2005). Diese offizielle Darstellung von Seiten der Regierung ist nicht zu halten.

„Österreich vergibt jährlich 400.000 Visa. Wenn es stimmt, dass in den letzten Jahren mindestens 40.000 Sichtvermerke an Personen verscherbelt wurden, die sich auf diese Weise Zutritt und Bleibe zum Schengenraum verschafft haben, muss ein Rudel an schwarzen Schafen tätig gewesen sein“ urteilte etwa der Kurier in seinem Leitartikel (Kurier, 2.12. 2005). „Der Standard“ zitierte aus einem Ermittlungsakt, der von einem „kriminellen Netzwerk“ in Beamtenkreisen an Vertretungen im Ausland sprach (Der Standard, 1. Dezember 2005).

Die Erklärungsnot der Bundesregierung, insbesondere der betroffenen Ressorts ist groß: Weshalb konnte der illegale Handel mit Sichtvermerken so lange unentdeckt bleiben? Weshalb versagten die internen Kontrollmechanismen im Außenamt und im Innenministerium völlig? Weshalb blieben Hinweise auf den Visahandel offenkundig ohne Konsequenz? Versuchte man den Visahandel zu vertuschen? Weshalb blieben die Ermittlungen der Justiz zunächst ergebnislos? Wieso konnte der illegale Handel mit Sichtvermerken bis heute nicht beendet werden? Wieso behaupten Belgrader Visa-Händler nach wie vor, Verbindungsmänner in Österreichs Botschaft zu haben (Kurier, 6. 12. 2005)?

Mittlerweile ist bekannt, dass Außenministerin Ferrero-Waldner bereits im Jahr 2001 schriftlich und im Jahr 2002 persönlich auf den vermuteten Visahandel am öster­reichischen Konsulat in Belgrad aufmerksam gemacht worden war. Allerdings ver­sicherte sie damals, „dass alles in Ordnung sei“ (News 42/05) und es keine Anhalts­punkte für Verfehlungen gebe. Welche Maßnahmen das Außenministerium tatsächlich setzte, um die Vorwürfe zu prüfen, ist bis heute unklar. Der Generalinspektor des Außen­amtes, Manfred Ortner, meinte in einem Interview jedenfalls, dass ihn niemand beauftragt hatte, die Belgrader Botschaft wegen Visahandel zu inspizieren oder zu untersuchen (Pro-7-Austria, 2.11. 2005). Dafür sorgte der Generalinspektor laut News dafür, dass eine Mitarbeiterin, die Missstände aufdecken wollte, nach Wien versetzt wurde, weil sich ihr Arbeitsstil als „entscheidungsscheu, nicht kundenfreundlich, nicht kommunikativ und unflexibel“ (News 45/05) erwiesen habe.

Trotz verschiedener Hinweise, die intern und von außen gegeben wurden (so ließen etwa Medienberichte aus den Jahren 2003 und 2004 darauf schließen, dass zumindest der Verdacht bestand, dass an den österreichischen Vertretungsbehörden in Kiew und in Lagos ebenfalls ein illegaler Handel mit Sichtvermerken betrieben wurde) blieb der schwunghafte Handel mit Sichtvermerken angeblich unbemerkt und alle internen Überprüfungen verliefen angeblich ergebnislos.

In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Sachverhalt höchst aufklärungsbedürftig: die bewilligten Visaanträge des Außenamtes werden nach nur einem Jahr vernichtet. An dieser Praxis wurde weiter festgehalten, obwohl der Verdacht des Visahandels nachweislich im Raum stand. Entgegen allen Beteuerungen des Außenamtes an einer lückenlosen Aufklärung interessiert zu sein, wurden offenbar keine Schrittte gesetzt,


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