Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 135. Sitzung / Seite 247

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um das für die Ermittlungen relevante Beweismaterial zu sichern. So meinte der Leiter der von Außenministerin Plassnik eingesetzten Expertenkommission am 14. November 2005 auf die Frage, ob der Skartierungs-Erlass des Außenamtes nicht endlich außer Kraft gesetzt werden müsse: „Man wird da wohl eine Art Stopp einlegen müssen, bis die Kommission ihre Tätigkeit aufnimmt“ (Kurier, 14. 11. 2005). Am 18.1.2006 prä­sentierte der Generalsekretär des Außenamtes einen Empfehlungskatalog der Exper­ten­kommission, welcher am 19.12.2005 fertig gestellt worden war. Offensichtlich unternahm die Kommission keinerlei Untersuchungen an einzelnen Konsulaten. Frühere Ermittlungen der Justiz mussten – so die Zeitschrift News am 1. 12. 2005 – eingestellt werden, weil die Revision des Außenamtes nur mehr fünfzig Visaakten ausfindig machen konnte (News, 48/05, 1. 12. 2005).

Im April 2004, als es in den Medien neuerlich Hinweise über Unregelmäßigkeiten im Visumverkehr am österreichischen Konsulat in Belgrad gab, hatte das Außenamt alle Vorwürfe erneut entschieden zurückgewiesen. Zwischen kolportierten Inseraten in serbischen Medien, in denen Schengen-Visa angeboten worden waren, und der österreichischen Botschaft bestehe keinerlei Zusammenhang. Dies sei das Ergebnis einer internen Überprüfung. Im übrigen würden alle österreichischen Vertretungs­behörden im Ausland regelmäßig intern überprüft, dabei werde naturgemäß jedem Hinweis auf etwaige Unregelmäßigkeiten nachgegangen (OTS103, 15.4. 2004). Als der Visa-Mißbrauch an deutschen Botschaften in Osteuropa bekannt wurde, hieß es aus dem Außen- und Innenministerium, in Österreich sei ein solcher Missbrauch nur sehr schwer möglich, da man ein ganz anderes Visa-System habe und viel restriktiver vorgehe (APA 270, 17.2. 2005).

Wie sich mittlerweile allerdings herausgestellt hat, waren es eben die Ermittlungen der deutschen Behörden in Sachen Visahandel, die deutliche Hinweise auf die Involvierung österreichischer Vertretungsbehörden gebracht und die österreichischen Behörden schließlich doch zum Handeln gezwungen haben.

Ein aktiver Diplomat aus dem konsularischen Dienst, ein pensionierter Mitarbeiter der Konsularabteilung  und einige weitere Personen wurden seither von der Polizei wegen des Verdachts auf Visahandel festgenommen. Insgesamt wird gegen mindestens neun Verdächtige ermittelt (Der Spiegel, 5. 12. 2005). Die Ermittlungen der Staats­anwaltschaft Wien erfassen mittlerweile mehrere osteuropäische Botschaften; zehn­tausende Visa, die die Einreise in den Schengen-Raum ermöglichen, könnten gegen „Körbergeld“ ausgestellt worden sein (Kurier, 2. 12. 2005). In einem Fall kommt es bereits im Jänner zum Strafprozess: Ein Mitarbeiter der österreichischen Botschaft in Lagos (Nigeria) ist wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch angeklagt. Die Staats­anwaltschaft wirft ihm vor, illegal 705 Visa ausgestellt zu haben.

Im Nachrichtenmagazin „profil“ Nr.4/2006 wird darüber berichtet, dass sich die Visa-Affäre auch auf die österreichische Botschaft in Ankara auszuweiten scheint, wodurch die von Vertretern des Außenamtes gerne strapazierte „Theorie der Einzelfälle“ noch mehr erschüttert wird.

Im Zusammenhang mit der Visa-Affäre ist natürlich die Frage nach der Verantwortung der betroffenen Ressortchefs zu stellen. Bezeichnenderweise hatte die von Außen­ministerin Plassnik eingesetzte Expertenkommission genau diese Frage nicht zu klären. Die Arbeit der Kommission sollte ausschließlich „zukunftsgerichtet“ sein (Kurier, 14. November 2005).

Aus all den genannten Fakten und Darstellungen ist daher die sofortige Einsetzung eines Untersuchungsausschusses geboten.

 


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