Meine Damen und Herren, wir werden aber auch in der Erweiterungsstrategie eine klare Linie festhalten müssen. Diesbezüglich gibt es ja, wie man aus internationalen Pressestimmen erkennen kann, ein wirkliches Lob, nämlich aus der Türkei. Wenn dort nämlich kritisiert wird, dass Österreich hier auf der Bremse steht, das Österreich in seiner Präsidentschaft unterstützt, dass im Erweiterungsprozess mit der Türkei auch politische Kriterien angewandt werden, und als Kommentar in einer türkischen Zeitung zu lesen ist:
„Aus Sicht eines Türkei-Beitritts ist die österreichische Präsidentschaft aber bisher verfehlt“, dann nehmen wir diese „Verfehlung“ gerne zur Kenntnis, denn wir stehen dazu, dass ein Land, das die Kriterien für eine Vollmitgliedschaft der Europäischen Union nicht erfüllt, diese Mitgliedschaft auch nicht erreichen kann und dass wir auch nach wie vor davon ausgehen, dass es besser wäre, eine Partnerschaft für Europa zu machen, als 20 Jahre lang über einen Beitritt mit der Türkei zu verhandeln, der ohnehin nicht möglich sein wird.
Es wird in dieser Präsidentschaft noch einiges zu tun geben: über die europäische Verfassung, über die Sicherheitspolitik, über den Nahostkonflikt und den Balkan zu diskutieren. Die erste Hälfte, glaube ich, war unaufgeregt, aber effizient, die zweite Hälfte wird auch die entsprechende Dynamik bringen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP. – Abg. Dr. Jarolim: Aber es war eher unaufgeregt und ineffizient!)
9.43
Präsident Dr. Andreas Khol: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.
9.43
Abgeordnete Dr. Eva
Glawischnig-Piesczek (Grüne):
Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Kolleginnen und
Kollegen! Der Schlüsselsatz in der Rede des Bundeskanzlers zur Bilanz der
österreichischen EU-Ratspräsidentschaft war: Viel ist noch zu tun! – Wenn
man also die blumigen Selbstdarstellungen, das Lobhudeln, die Seifenblasen
abzieht und es auf den messbaren Erfolg und auf das tatsächlich Durchgesetzte
reduziert, dann bleibt wenig bis gar nichts übrig. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Murauer: Das ist aber Ihre
Sicht!)
Sie nehmen es auch mit den Fakten nicht sehr genau! Wenn der
Bundeskanzler davon spricht, dass Österreich einen Spitzenplatz bei niedriger
Arbeitslosigkeit in Europa einnimmt, dann hat er offensichtlich übersehen, dass
Österreich diesen Spitzenplatz schon sehr lange verloren hat (Abg. Öllinger:
Das stimmt!) und insbesondere bei der Jugendarbeitslosigkeit eine
extrem besorgniserregende Entwicklung zu verzeichnen hat – und das aber im
Gegensatz zu anderen europäischen Staaten, wo der Trend bei der
Arbeitslosigkeit mittlerweile so aussieht, dass diese sinkt. (Abg. Mag. Hakl: Ja, weil sie so hoch ist! – Abg. Großruck: Wenn Sie
von ... was verstünden, ...!) Österreich ist eines der wenigen Länder, wo
die Arbeitslosigkeit weiter ansteigt! (Beifall
bei den Grünen.)
Mit keinem Wort erwähnt, Herr Bundeskanzler, haben Sie auch die selbst gesteckten Ziele, mit denen in der österreichischen Bevölkerung auch von Ihrer Seite sehr hohe Erwartungen geweckt wurden. Im Herbst gab es noch eine große, vollmundige Ankündigung, dass die Anti-Atom-Politik ein Schwerpunkt der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft sein werde und dass es eine Initiative zum europäischen Atomausstieg geben werde und auch eine Initiative zum EURATOM-Vertrag, der seit 50 Jahren die völlig ungerechte und wettbewerbsverzerrende Förderung der Atomenergie in Europa festschreibt. – Jetzt möchte ich gerne wissen, was beim Gipfel in diesen Schlussfolgerungen tatsächlich von diesem groß angekündigten Ziel übrig geblieben ist! Sie haben das heute mit keinem einzigen Wort erwähnt, und die