Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 142. Sitzung / Seite 92

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in diesem Schreiben mitteilen, nicht ganz. Deshalb wäre mir eine tiefer greifende Diskussion in diesem Falle sehr lieb gewesen.

Ich stimme dem Gesetz deswegen zu, weil ich glaube, dass es besser ist als der derzeitige Zustand, der sehr im Graubereich liegt. Es ist sehr klug, wenn es hier eine gesetzliche Regelung gibt. Ich stimme auch deswegen zu, weil wir beschlossen haben, es in drei Jahren zu evaluieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Frei­heitlichen.)

12.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Grünewald. Wunschredezeit: 5 Minuten. – Bitte.

 


12.43.16

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerinnen! Hohes Haus! Ich möchte schon auf einige Redebeiträge ein­gehen. Erstens: Der Titel dieses Gesetzes, Frau Fekter, heißt Patientenverfügung, nicht Verfügung von Angehörigen über Angehörige. Er heißt auch nicht Verfügung von HeimleiterInnen über HeiminsassInnen und auch nicht Verfügung von Ärzten gegen­über Patienten. – Das muss einmal klar sein.

Zweitens: Können wir uns vielleicht darauf einigen, dass – von einzelnen wenigen beschämenden Ausnahmen abgesehen – nicht alle ÖsterreicherInnen durch dieses Gesetz ermuntert werden oder gerade darauf warten, das Leben ihrer Eltern, Großeltern, Tanten und Erbonkeln zu verkürzen, nur um an deren Sparstrümpfe und an ihr Eingemachtes zu kommen? Das wäre eine Lebenseinstellung und eine Betrach­tung der Gesellschaft, die ich nicht teilen möchte. Für Einzelfälle ist in diesem Gesetz Vorsorge getroffen. Da gibt es Hürden und Schwellen und auch ganz kräftige Strafen, um das zu verhindern.

Ich glaube, es wird einfach Zeit, einmal zu überlegen: Was sind die Sorgen der PatientInnen? Meine Erfahrung sagt, die kommen nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus und haben dann Angst, dort getötet zu werden, weil man ihr Leiden nicht ernst nimmt, weil man ihr Leben nicht ernst nimmt, sondern die haben vorwiegend Angst, dass es Situationen geben kann, in denen ihr Leiden unnötig weiter gegen ihren Willen verlängert wird und sie dagegen nichts machen können. Und das nehme ich schon ernst!

Wie Sie wissen, ist jede Injektion – selbst eine unter die Haut, es muss gar nicht in eine Vene sein – vor Gericht eine Körperverletzung und ich als Patient kann nein dazu sagen. Eine Frau kann nach der Diagnose Brustkrebs sagen: Nein, ich will keine anti-hormonelle Therapie, weil die meine Psyche, mein Leben, meinen Umgang mit Menschen, mein Selbstwertgefühl beeinträchtigen kann. Ich will mir meine Brust nicht amputieren lassen, selbst wenn dies das Risiko, das Leben zu verkürzen, erhöht. – Das ist bitter. Ich habe solche Situationen schon erlebt. Man kann versuchen, die Patientin zu überzeugen, aber es gibt dann einen Punkt, an dem ich sagen muss: Ja, wenn sie das im Vollbesitz des Wissens um das Risiko tut, wird mir nichts anderes übrig bleiben, als das zu akzeptieren.

Damit wir vielleicht ein wenig näher zum Thema kommen, eine ganz kurze Geschichte: Ich hatte einmal einen knapp 60-jährigen Fabrikarbeiter, der an einer akuten Leukämie erkrankt war. Ich kannte den Mann wahrscheinlich fast ein ganzes Jahr. Viele Behandlungsversuche waren von Erfolg gekrönt, aber nur über wenige Wochen. Die akute Leukämie ist wieder gekommen. Jeder weiß, dass nach dem vierten Rückfall die Chance, hier noch einmal günstig eingreifen zu können, nahezu gegen null geht, dass ein Behandlungsversuch durch die Nebenwirkungen der massiven, schweren, den


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