Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / Seite 49

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10.18.40

Abgeordnete Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Parlament befasst sich heute im ersten Tages­ordnungspunkt mit dem Volksbegehren „Österreich bleib frei!“. Dieses Volksbegehren hatte 258 281 Unterstützungserklärungen und lag damit am 21. Platz von 32 bisher abgehaltenen Volksbegehren.

Ich möchte gleich zu Beginn dem im Ausschuss erhobenen Vorwurf begegnen, dieses Volksbegehren würde schubladisiert. Das ist genau nicht der Fall, ganz im Gegenteil. Wir setzen uns mit jedem Volksbegehren sehr intensiv auseinander. Wir haben auch im Ausschuss sehr ausführlich, teilweise kontroversiell, teilweise übereinstimmend diskutiert und haben uns selbstverständlich mit allen Dingen genau befasst. Daher muss ich diesen Vorwurf ausdrücklich zurückweisen! Sowohl der jeweilige Ausschuss als auch das Plenum befassen sich immer mit allen in Österreich durchgeführten Volksbegehren. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen – BZÖ.)

Den Proponenten dieses Volksbegehrens möchte ich allerdings vorwerfen, dass die darin angeführten Ziele einen sehr populistischer Zugang zu diesen Themen dar­stellen – Themen, die extrem wichtig sind und deren Behandlung in der Form verfehlt ist.

Das erste Ziel ist die Bewahrung der österreichischen Neutralität. – Da kann man am besten erkennen, dass hier sehr großer Populismus dahinter steckt. Tatsache ist, dass wir ein Neutralitätsgesetz haben, das Bundesverfassungsgesetz vom 26. Okto­ber 1955, und keine wesentliche Kraft in diesem Parlament denkt daran, dieses Bundesverfassungsgesetz zu ändern. Wie wir alle wissen, braucht es zu einer Änderung eines Bundesverfassungsgesetzes eine Zweidrittelmehrheit. Daher ist das erste Ziel dieses Volksbegehrens schlicht und einfach verfehlt.

Das zweite Ziel ist die Vereitelung des EU-Beitritts der Türkei. – Das nimmt sehr viele Ängste der Bevölkerung auf und ist auch etwas, mit dem wir uns in weiterer Folge sicher noch sehr genau auseinander setzen müssen. Im Moment ist es jedoch viel zu früh, über derartige Dinge zu entscheiden – nicht zu reden, aber zu entscheiden. Diskutieren muss man natürlich darüber, wie der Beitritt der Türkei zur EU zu handhaben sein wird.

Wir von der Volkspartei haben hier einen sehr klaren Weg vorgeschlagen: Derzeit befinden wir uns in einem Verhandlungsprozess mit der Türkei. Bei einem Verhand­lungsprozess muss man üblicherweise das Ergebnis abwarten. Und wenn dann Verhandlungsergebnisse vorliegen, werden wir uns dafür einsetzen, dass es eine Volksabstimmung über den Beitritt der Türkei zur EU gibt. Das ist die politisch klarste und eindeutigste Stellungnahme und vom Prozess her auch die einzig richtige. (Beifall bei der ÖVP.)

Das dritte Ziel dieses Volksbegehrens ist die Abwehr der EU-Verfassung in der vorliegenden Form. – Wir von der ÖVP halten dieses Ansinnen schlicht und einfach für falsch. Wenn Sie sich mit der EU-Verfassung auseinander setzen – das Hohe Haus hat das mehrfach getan –, dann wissen und sehen Sie, dass diese EU-Verfassung der Versuch ist, die EU weiterzuentwickeln. Es handelt sich dabei um ein in einen Vertrag gegossenes Werk, dem sehr viele Vorbereitungshandlungen von sehr vielen Natio­nalitäten vorangegangen sind. Der Versuch, der Europäischen Union eine Verfassung zu geben, ist richtig und wichtig. Ob jetzt jeder Punkt, der in dieser Verfassung enthalten ist, auch die Unterstützung von uns allen findet, ist natürlich diskussions­würdig. Es liegt aber auch in der Natur der Sache, dass in einem so umfangreichen, aber notwendigen Werk – schließlich führt es zur Stärkung aller wichtigen EU-Institutionen – Punkte enthalten sind, die nicht die Unterstützung aller finden.

 


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