Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll6. Sitzung / Seite 54

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

von der Bundesregierung, dass sie von Tschechien den Nachweis aller vereinbarten Sicherheitsmaßnahmen fordert.

Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Erinnern wir uns daran, dass der Störfall im Reak­tor Tschernobyl leider über 170 000 unschuldige Menschen das Leben kostete! Erin­nern wir uns an die Millionen Strahlenopfer und erinnern wir uns an die jahrelangen Produktionseinschränkungen! Es darf sich ein solch schrecklicher Fall nicht wiederho­len; es ist daher höchst an der Zeit, hier mit aller Schärfe und aller Härte vorzugehen. Weitere Verzögerungen darf es nicht mehr geben. Es muss endlich Schluss sein mit der Taktik des Aussitzens und des Abwartens. Es muss jetzt rasch gehandelt werden, es müssen ebenso rasch Taten folgen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.31


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Ing. Mag. Kuzdas für 3 Minuten. – Bitte.

 


12.31.57

Abgeordneter Ing. Mag. Hubert Kuzdas (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Kaum ein Atomkraftwerk hat derartige Emotionen in Ös­terreich geweckt wie das Atomkraftwerk Temelín. Die Menschen in Österreich haben zu Recht Angst. Nach zahlreichen Verhandlungen wurde das Melker Protokoll im No­vember 2001 beschlossen. Im Wesentlichen geht es dabei um Informationsverbesse­rung und Anhebung der Sicherheit des AKWs. Heute kann man feststellen: Beide Ziele wurden nicht erreicht. Die zahlreichen Störfälle, an die 100, beweisen das, und der Bruch der Informationspflicht bestätigt das.

Insbesondere zum Thema kommerzieller Betrieb ist im Melker Abkommen festgehal­ten, dass in jedem Fall die Umsetzung der im Anhang I angeführten Sicherheitsmaß­nahmen Voraussetzung für den kommerziellen Betrieb ist. Eine internationale Exper­tenkommission hegt in einem Endbericht vom Juni 2005 erhebliche Zweifel, ob diese Auflagen umgesetzt und tatsächlich erfüllt wurden, zum Beispiel, was die Leitungen auf der 28,8-Meter-Bühne oder die Qualifizierung der Ventile betrifft. In beiden Fällen kann man die Erfüllung der Sicherheitsvoraussetzungen als nicht bestätigt annehmen.

Im Juni des heurigen Jahres stellte Mag. Otto Gumpinger vom Anti-Atom-Komitee Fol­gendes fest:

„Dass es im Reaktor 1 in Temelín massive Probleme gibt war uns bekannt, dass es aber derart schlimm ist hat sogar uns überrascht. Dieser Reaktor darf nicht mehr hoch­gefahren werden. Alles andere wäre kriminell.“

Nun zum Melker Abkommen. Wir haben heute schon das Wort „Beruhigungspille“ ge­hört, insbesondere dann, wenn man sich auch den Anhang 2 des Melker Abkommens anschaut. Da gibt es Empfehlungen der Kommission, 21 Punkte, zur Minimierung der Besorgnisse der österreichischen Bevölkerung. Auch darüber herrscht Unklarheit.

Gemäß dem Melker Abkommen sind der österreichische Landwirtschaftsminister und der tschechische Vizepremier und Außenminister für die Umsetzung und Überwachung zuständig. Was ist bisher an Umsetzung und Überwachung geschehen? – Die kom­merzielle Inbetriebnahme ohne vorherige Information der österreichischen Bundes­regierung ist jedenfalls ein Bruch des Melker Abkommens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freiheit des einen endet dort, wo die Sphäre des anderen beeinträchtigt wird. Das gilt im Privatrecht und das gilt natürlich auch im Völkerrecht. Das gilt für Österreich und muss selbstverständlich auch für die Tschechische Republik gelten. Das hat auch für störanfällige Atommeiler zu gelten, denn die Auswirkungen eines Störfalles kümmern sich um keine Grenzen und auch um kein Schengen-Abkommen.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite