Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll20. Sitzung, 24. April 2007 / Seite 195

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Eine Haftanstalt gilt in der Regel bei 85 bis 90 Prozent Belegung als voll belegt. Die Justizanstalt Josefstadt wäre bei einer Belegung von 990 Häftlingen zu 100 Prozent belegt, sie hatte aber zum Stichtag der Einbringung dieses Initiativantrages eine Be­lagszahl von 1 186 Häftlingen. Das ist also mehr als eine eindeutige Überbelegung. – Das ist ein Aspekt.

Der zweite Aspekt, warum auch auf legistischer Ebene etwas gegen überbelegte „Häf’n“ getan werden muss, ist die Tatsache, dass sich das Verhältnis – und da wird sicher Otto Pendl noch darüber sprechen, wenn er zu Wort gemeldet ist – zwischen Bediensteten in Justizanstalten und Häftlingen radikal fehlentwickelt hat: nämlich von einem Verhältnis 2 : 1 früher zu einem Verhältnis von fast 3 : 1 heute. Da kann doch etwas nicht stimmen! Auch wenn ich jetzt in Betracht ziehe – und das werden wir mor­gen hier noch einmal diskutieren –, dass sich Personal durch dieses neue Budget jetzt erhöhen wird, ist das nur ein schwaches Mittel, um das, was über Jahre an Fehlstand aufgebaut wurde, abzubauen.

Zweite wichtige Information an die Kolleginnen und Kollegen, warum eine Initiative zu einer neuen gesetzlichen Regelung der bedingten Entlassung: In Österreich werden 20 Prozent der Häftlinge bedingt entlassen. Im Vergleich dazu – und man kann jetzt nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, sondern Systeme, die eine ähnliche Rechtslage, Rechtskultur und Rechtstradition haben, wie Deutschland und die Schweiz –, nämlich zu den 20 Prozent in Österreich möchte ich Ihnen die Zahl in Deutschland nennen: nämlich 50 Prozent bedingte Entlassungen, und in der Schweiz: 92 Prozent bedingte Entlassungen.

Das ist nämlich deshalb auch wichtig zu wissen, damit nicht hier so eine Mär aufgebaut wird, dass jene, die sich für mehr bedingte Entlassung einsetzen, etwa Unsicherheit in der Bevölkerung oder weniger Sicherheit in der Bevölkerung riskieren. Bei 92 Prozent bedingter Entlassung in der Schweiz müsste das ja bedeuten, dass jeder Schweizer zusammenzuckt, wenn er aus dem Haustor tritt, wenn 92 Prozent der Leute, die in Ge­fängnissen sind, bedingt entlassen werden. Jetzt muss man wissen, dass Menschen, die zu weniger als drei Monaten Gefängnisstrafe verurteilt werden oder teilbedingt ver­urteilt werden, ja gar nicht unter die jetzige Regelung der bedingten Entlassung fallen.

Mein und unser Hauptargument für eine neue gesetzliche Regelung ist aber folgendes: Jemandem, der seine Strafe bis zum letzten Tag absitzt – und das sind, wie Sie hören, 80 Prozent der Häftlinge in Österreich –, kann kein Gericht der Welt, oder kein Gericht Österreichs in dem Fall, irgendeine Art von Auflage oder irgendetwas, irgendeine Art von – sagen wir es jetzt im weitesten Sinn – Überwachung auf den Weg mitgeben, denn er hat seine Strafe abgesessen. Das halte ich – und das sage ich aus tiefer Über­zeugung – für falsch.

Denn: Häftlinge – und wenn sie die schwersten Verbrechen begangen haben –, die am Ende ihrer sozusagen Häftlingskarriere auf freien Fuß gesetzt werden, haben ihre Stra­fe abgebüßt und stehen allein und im Nichts da. Das ist in meinen Augen weder für die Gesellschaft gut, noch ist es gut für das einzelne Individuum, nämlich den ehemaligen Gefangenen, der davon betroffen ist.

Darum ist eines der Hauptargumente für eine Neuregelung der bedingten Entlassung – die da lauten würde: bedingte Entlassung nach zwei Dritteln der abgesessenen Strafe grundsätzlich für alle, ohne Berücksichtigung der Generalprävention; die gibt es näm­lich in Deutschland und in der Schweiz auch nicht – bei Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe: Möglichkeiten, Auflagen zu erteilen, auch zu haben. Ausnahmen von diesem Prinzip sollte es nur für jene geben, die eine erhöhte Rückfallgefahr zu schweren Ge­walttaten oder gemeingefährlichen Delikten haben.

 


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