Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll20. Sitzung, 24. April 2007 / Seite 203

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Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Köfer. Er hat sich eine Redezeit von 3 Minuten vorgenommen. – Bitte, Sie sind am Wort.


19.23.00

Abgeordneter Gerhard Köfer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Dieses sensible Thema hätte sich vermutlich mehr Anwesenheit verdient. Es ist aber trotzdem niemandem hier im Haus verborgen geblieben, dass sich der österreichische Strafvollzug in einer Krise befindet. Wir haben von Frau Kollegin Stoisits schon gehört, dass es im Jahre 1989 noch einen historischen Tiefstand an Insassen, nämlich in etwa 6 000, gegeben hat und dieser sich ab 2001 dramatisch erhöht hat. Wir können heu­te – und das haben wir heute auch mehrfach gehört –, mit Stand März 2007, als exakte Zahl 9 093 Menschen, die sich in Österreich in Gefängnissen befinden, registrieren. Der Grund dafür sind einerseits sicherheitspopulistische Parolen und andererseits aber auch der Rückbau des österreichischen Sozialstaates. (Abg. Strache: Dass wir eine so hohe Häftlingszahl haben, ist eine Rückführung auf populistische Parolen?!) – Doch! (Abg. Strache: Sie erkennen nicht, dass es mehr Verbrechen gibt? Das wollen Sie in Abrede stellen?)

Kollege Strache, das ist einerseits. Und andererseits habe ich aber gesagt, dass der Rückbau des österreichischen Sozialstaates und die mangelnde Integration von Rand­gruppen ebenfalls ein Grund dafür sein werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn man die internationale Gefangenenrate vergleicht, so kann man feststellen, dass in den USA derzeit pro 100 000 Einwohner 738 Häftlinge in Anstalten verwahrt werden. Wie schaut es in Europa aus? – In Finnland sind es aktuell 75, in der Schweiz sind es 83, in der Bundesrepublik Deutschland noch immer 93, und in Österreich haben wir eine Rekordmarke von 105 Inhaftierten auf 100 000 österreichische Einwohner er­reicht.

An der Linzer Universität gibt es führende Strafrechtsexperten, die dafür eintreten, dass vorzeitige Haftentlassungen begründet sein sollen – und das mit der Begründung, das entstehende Risiko von Rückfällen sei vertretbar. Aber die Herren Wissenschaftler stellen auch fest, dass vorzeitig bedingt entlassene Straftäter weniger häufig rückfällig werden. Sie sehen aber die Ursache dessen in erster Linie in der richtigen Auswahl dieser Straftäter durch die Gerichte. (Abg. Strache: Jack Unterweger zum Beispiel! – Abg. Grillitsch: Den kennt er nicht!) – Ich komme aus diesem Metier. (Abg. Grillitsch: Vom Unterweger?!) Jack Unterweger!

Eine derartige Beurteilung vom Lehrstuhl und von den Wissenschaftlern aus ist zwar legitim, bleibt aber problematisch. Und eines, glaube ich, bleibt bei allen hier im Haus unbestritten: Bei Gewalt- und Sexualstraftätern müssen andere, strengere Maßstäbe angewendet werden, als das bei Tätern von Eigentumsdelikten der Fall ist.

Natürlich hat jede Partei im Parlament einen anderen Zugang zu dieser Problematik: Da will einerseits das BZÖ noch mehr Gefängnisse in Form ausgebauter Kasernen realisieren, und die Fraktion der Grünen will mit ihrem Antrag den § 46 StGB deutlich zugunsten von Häftlingen verändern. – Für uns Sozialdemokraten gibt es in dieser Frage kein Schwarz oder Weiß, sondern wir sind wieder einmal bemüht, auch in dieser Angelegenheit, mit gesundem Augenmaß und mit einem Höchstmaß an Verantwortung zu agieren.

Geschätzte Damen und Herren! Es gilt vielmehr zu klären – und diesen Ansatz finde ich gut –, ob Strafgefangene vorzeitig und bei guter Führung und besten Voraussetzun­gen nicht die Chance erhalten sollen, in ihr Leben zurückzukehren. Es sind das ja meist keine Einzelschicksale, die eine Haft nach sich zieht, sondern zu Hause warten


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