Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll24. Sitzung / Seite 88

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Präsident Dr. Michael Spindelegger: Von der Regierungsbank aus hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Gusenbauer zu Wort gemeldet. Ich stelle die Uhr auf die gewünsch­ten 8 Minuten. – Bitte.

 


12.01.40

Bundeskanzler Dr. Alfred Gusenbauer: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dieses Paket zur Weiterentwicklung des Wahlrechts und der Demokratie in Österreich ist ein gelungenes Paket, weil es dazu führen wird, dass mehr Menschen einen besseren Zugang zum Wahlrecht haben werden – nämlich so­wohl im Inland als auch im Ausland –, und weil mehr Menschen überhaupt das Wahl­recht erhalten werden. Das heißt, dass die demokratische Grundlage unseres Gemein­wesens dadurch verbreitert wird.

Allein wenn ungefähr 160 000 bis 180 000 junge Menschen in Zukunft zusätzlich zur Wahl gehen können, ist das eine ganz wichtige Bereicherung für die Politik. Es wird ja öfters gesagt, dass Politik meistens im Interesse der älteren Bevölkerung gemacht wird und weniger im Interesse der Jungen. Indem jetzt viel mehr Junge das Wahlrecht ha­ben werden, wird das auch dazu führen müssen, dass sich die Politik stärker um die Anliegen der Jugendlichen annimmt. Das halte ich für einen wichtigen Fortschritt, der heute hier im Nationalrat gesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Zweite ist der Komfort des Wählens. Es wurde bereits darauf hingewiesen, wie schwierig es für Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher ist, ihr Wahlrecht wahrzunehmen – das ist wahrlich ein bürokratischer Hürdenlauf. Und wir stellen auch fest, dass es bei Wahlen im Inland in einer mobiler gewordenen Gesellschaft viele Menschen überhaupt nicht verstehen, dass sie zum Beispiel bei Gemeinderatswahlen und bei Landtagswahlen nur dann wählen dürfen, wenn sie sich am Wahltag in ihrem Heimatbundesland oder in ihrem Heimatort aufhalten. Wenn sie sich exakt an diesem Tag nicht dort aufhalten, verlieren sie ihr Wahlrecht. Das war bisher gängige Praxis.

Die gesetzliche Änderung, die jetzt getroffen wird, bewirkt, dass es mit der Einführung der Wahlkartenwahlen auch bei Gemeinderatswahlen und bei Landtagswahlen einen wesentlich verbesserten Zugang zum Wahlrecht geben wird, der einer mobiler gewor­denen, freieren Gesellschaft entspricht. Ich bin froh darüber, dass damit auch die Mit­bestimmungsqualität bei Gemeinderatswahlen und bei Landtagswahlen in Zukunft an­gehoben wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Dritten, was die Länge der Legislaturperiode betrifft: Ich finde die Kommentare interessant, die es in den letzten Tagen dazu gegeben hat – so unter dem Titel, das wäre eine Einschränkung der Demokratie. Reden wir ganz offen: Sind die österreichi­schen Gemeinden, wo alle fünf Jahre der Gemeinderat gewählt wird, weniger demo­kratisch als der Nationalrat? (Abg. Strache: Die hätten auf vier Jahre senken sollen!) Sind die österreichischen Landtage, wo meistens alle fünf Jahre, in einem Fall sogar nur alle sechs Jahre gewählt wird, weniger demokratisch als der österreichische Natio­nalrat? Ist der österreichische Bundespräsident, der ja nur alle sechs Jahre gewählt wird, weniger demokratisch legitimiert als der österreichische Nationalrat? (Abg. Dr. Graf: Warum haben Sie dann fünf genommen und nicht sechs?)

All diese Fragen hat eigentlich in den letzten Jahren niemand gestellt. Und jetzt kommt es zu einer Verlängerung der Legislaturperiode des Nationalrates von vier auf fünf Jah­re, und auf einmal soll es deshalb hier zu einer Einschränkung der Demokratie kom­men. Ich halte, ganz offen gesagt, dieses Argument für nicht stichhaltig, sondern ich schließe mich eher der Meinung des Herrn Klubobmanns Scheibner an, der gemeint hat, dass aufgrund der vielen Fristen, die es gibt, die reale Arbeitsperiode einer Bun­desregierung in Wirklichkeit nicht vier Jahre, sondern nur drei Jahre beträgt, wenn es


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