Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll30. Sitzung / Seite 121

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Ich möchte aber nun auf das bereits angesprochene Mandat für die Regierungskonfe­renz zurückkommen. Fest steht, dass die existierenden Verträge durch einen Reform­vertrag geändert werden. Was ist dabei neu?

Neu ist zum Beispiel, dass den Verträgen ein Protokoll beigefügt wird, das Auslegungs­grundsätze der Definitionen von Diensten von allgemeinem Interesse festlegt. In die­sem Zusammenhang spielt aber vor allem die Judikatur des Europäischen Gerichtsho­fes eine Rolle. (Abg. Dr. Graf: Jetzt kommt die soziale Wärme!) Auch der Europäische Gerichtshof hat sehr viel mit sozialer Wärme zu tun, kann ich Ihnen sagen, weil der Europäische Gerichtshof sehr viele Entwicklungen im Bereich des Europäischen Arbeitsrechts und Sozialrechts vorangetrieben hat. Es ist nicht alles schlecht, was von der EU und vom Europäischen Gerichtshof kommt! (Beifall bei der ÖVP.)

Was den Europäischen Gerichtshof anlangt, möchte ich aber auch noch eine Judika­turlinie erwähnen, die wir, wie ich glaube, im Auge behalten müssen, weil sie für die Mitgliedstaaten sehr wichtig ist. Lassen Sie mich das an folgendem Beispiel illustrieren:

Der Europäische Gerichtshof anerkennt zwar in ständiger Judikatur, dass die Kompe­tenz zur Ausgestaltung der Systeme der sozialen Sicherheit bei den Mitgliedstaaten liegt. Zugleich betont er aber, dass die Mitgliedstaaten dabei das Europarecht, nämlich insbesondere das Wettbewerbsrecht und die Grundfreiheiten, zu berücksichtigen ha­ben. Das heißt also, über die Anwendung des Europäischen Wirtschaftsrechts greift der Europäische Gerichtshof in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten ein. Diese Judi­katur sollten wir mit berücksichtigen, wenn wir auf EU-Ebene etwas weiterentwickeln wollen.

Schließlich ist aber auch vorgesehen, dass der Beitritt der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention vom Rat einstimmig beschlossen werden wird.

Als ehemaliges Mitglied des European Committee of Social Rights möchte mich dafür aussprechen, dass die Europäische Union auch der Europäischen Sozialcharta beitre­ten sollte; dabei denke ich an die revidierte Europäische Sozialcharta. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.41


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheib­ner. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


14.41.28

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesministerin! Eines ist ja positiv an den Ergebnissen dieses EU-Gipfels: dass überhaupt etwas weitergegangen ist nach doch mehrjähriger Nachdenkpause, nach dem „Schock“ – unter Anführungszeichen – negativer Referenden, die eben gezeigt haben, dass man nicht über die Köpfe der Bevölkerung hinweg Europapolitik machen kann, sondern dass man versuchen muss, glaubwürdig für die Interessen der Men­schen in Europa einzutreten und damit auch eine Vision und eine Zukunftsperspektive für dieses gemeinsame Europa zu schaffen – nicht eine EU der Bürokraten und der Gesetze und Verordnungen, sondern eine Europäische Union, in der die Menschen wirklich auch die Vorteile dieses gemeinsamen Europa sehen können.

Es ist notwendig, eine Reform der Modalitäten vor allem in der Europäischen Union vorzunehmen, denn die EU der 27 kann nicht mit den Methoden der EU der 15 weiter organisiert werden.

Ich glaube aber, dass trotzdem eine Chance vertan worden ist, und das ist nicht ver­wunderlich, weil es heute in dieser Europäischen Union wenige Politiker und auch we­nige Handelnde gibt, die über den Tellerrand und die eigene Funktionsperiode hin­ausdenken. Das haben wir ja auch bei der Türkei gesehen. Statt sich jetzt offen und


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite