Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll35. Sitzung / Seite 142

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gehung strafbarer Handlungen mit schweren Folgen drohen. Demgemäß haben Straftäter, die wegen Delikten ohne schwere Folgen einsitzen wohl künftig die be­dingte Entlassung schon mit der Verurteilung praktisch „in der Tasche“.

Dazu kommt die Verkürzung der grundsätzlichen Mindestanhaltezeit von drei auf zwei Monate und die Möglichkeit der bedingten Entlassung auch aus dem nicht be­dingt nachgesehenen Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe. Die bedingte Entlas­sung nähert sich damit dem gelockerten Vollzug einer Freiheitsstrafe als neue Voll­zugsform an.

Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit.

Bei der Entscheidung über eine bedingte Entlassung sollen hinkünftig fachkundige Laienrichter direkt durch das Bundesministerium für Justiz in die entscheidenden Se­nate entsandt werden. Diesen aus dem Bereich der Bewährungshilfe stammenden Personen stehen im Senat keine Vertreter der staatlichen Strafrechtspflege (etwa durch Beteiligung der Staatsanwaltschaft) als Gegengewicht im Dienste der Bevölke­rung gegenüber. Andererseits könnte eine derartige Beteiligung der weisungsgebun­denen Staatsanwaltschaft unter einer Schülerin Justizminister Brodas, der bekannt­lich sein Weisungsrecht mehrfach für eigene politische Zwecke missbrauchte, wohl ohnehin keine Verbesserung bringen.

Besondere Vergünstigungen für ausländische Straftäter

Statt sich – wie im geltenden Regierungsprogramm noch angekündigt – der Verhin­derung des „Kriminaltourismus“ zu widmen und zur angekündigten „deutlichen Ver­stärkung der Bemühungen auf Übernahme des Strafvollzugs durch den Heimatstaat“ hinzuwirken, sieht die Justizministerin für (EU-)ausländische Straftäter sogar eine be­sondere Vergünstigung vor:

Statt ihre Strafhaft nach Möglichkeit im Heimatland abzusitzen, sollen nicht aufent­haltsverfestigte ausländische Verurteilte künftig noch früher als einheimische Straf­täter, nämlich generell bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe, aus der Straf­haft zu entlassen sein, wenn gegen sie ein Aufenthaltsverbot besteht und sie freiwillig auszureisen versprechen. Sollten sie dieses Geschenk missbrauchen, ist nur der Vollzug des Strafrestes vorgesehen.

Praktisch bedeutet dies: Endlich von der Polizei – meist erst nach etlichen Straf­taten – dingfest gemachte ausländische Berufsverbrecher werden gegen das Ver­sprechen (!) auszureisen bereits nach der halben Strafe im Inland (!) auf freien Fuß gesetzt, statt dass für einen Vollzug der Haftstrafe bzw. die Resozialisierung in ihrem Heimatland gesorgt würde und ohne ihre Rückkehr dorthin (wohl sehr zur „Freude“ der Sicherheitsbehörden des eigenen Landes) auch nur sicherzustellen. Diese aus­ländischen Berufsverbrecher können also von ihrer kriminellen Organisation unmittel­bar nach der Ausreise in anderen Ländern eingesetzt werden, ja selbst – z.B. unter einem neuen Namen – in Österreich, weil sie ja für den Fall einer nochmaligen Fest­nahme lediglich den Vollzug der ausstehenden Reststrafe riskieren.

Etwas wirklichkeitsfremd mutet auch die Erläuterung dieses Vorschlags an, die davon ausgeht, dass bei ausländischen Straftätern der Vollzugszweck der Resozialisierung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die Enthaftung erreicht sei.

Einsatz der elektronischen Fußfessel unter technischen Einschränkungen

Kritikwürdig ist auch, dass die bereits in der XXII. GP initiierte elektronische Fußfes­sel nun technisch eingeschränkt zum Einsatz kommen soll – man begnügt sich mit einer Überwachungsmöglichkeit auf Basis einer Festnetz-Technologie. Frei- und Aus­gänge sollen in Zukunft zwar überwacht werden, die mindere Technologie wird aber


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