Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung / Seite 43

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Was waren einige der spezifisch österreichischen Anliegen, die umgesetzt werden konnten? – Zunächst einmal die Schnittstelle zwischen europäischer und national­staatlicher Ebene. Erstmals wird es eine genaue Verteilung der Zuständigkeiten zwi­schen der EU und ihren Mitgliedstaaten geben – eine alte österreichische Forderung.

Außerdem wird klar festgehalten, dass die Übertragung von Kompetenzen an die Europäische Union von ihren Mitgliedstaaten auch wieder zurückgenommen werden kann. Die europäische Integration ist also nunmehr auch ausdrücklich keine Einbahn­straße. Sie lernt durch den Reformvertrag, loszulassen, wo das auch vernünftig ist. Die Mitgliedstaaten bleiben selbstverständlich auch weiterhin die Herren der Verträge.

Eine ganz konkrete Ausformung dieses neu geschärften Denkens ist der Bereich der Dienstleistungen der Gemeinden, wie etwa Wasserversorgung oder Müllabfuhr. Hier wird ganz klar die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten festgeschrieben, ihrer nationalen, lokalen, regionalen Behörden. Die Union erhebt nicht den Anspruch, mit dem Bin­nenmarkt auch jeden Winkel des wirtschaftlichen Lebens in Europa regeln zu wollen. (Abg. Mag. Hauser: Sollen sie uns das Wasser auch noch nehmen? – Ist das ein „Erfolg“?!)

Weitere strukturelle Neuerungen – auch hier haben wir uns mit Nachdruck eingesetzt – betreffen einen europäischen Demokratieschub: die Stärkung der parlamentarischen Komponente, aber auch erstmals die Möglichkeit, europäische Volksbegehren durch­zuführen – wieder eine österreichische Forderung! Auf dem Tisch bleibt übrigens der österreichische Vorschlag einer gesamteuropäischen Volksabstimmung. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Kickl: Ah?)

Wie sieht die Stärkung der parlamentarischen Komponente im Übrigen genau aus? – Die klare Betonung des Subsidiaritätsprinzips, denn bisher ist es ja immer aus­schließlich um das Europäische Parlament, um seine Kompetenzen gegangen. Sie, meine Damen und Herren, die gewählten Volksvertreter, werden in Hinkunft direkt von der Kommission über Rechtssetzungsvorhaben informiert. Sie haben die Möglichkeit, Einspruch zu erheben, wenn Sie der Ansicht sind, dass ein Kommissionsvorschlag eine Materie regeln will, für die die Zuständigkeit bei den Mitgliedstaaten liegt. In der Sprache des Fußballs: Sie können der Kommission notfalls die gelbe Karte zeigen. (Abg. Ing. Westenthaler: Die ist meistens wirkungslos, die gelbe Karte!)

Eine weitere wichtige Neuerung – und wieder mit unverkennbarer rot-weiß-roter Hand­schrift –: Mit dem Reformvertrag bekommt die Europäische Union erstmals eine Rechtsgrundlage für ein Tätigwerden im Bereich des Klimaschutzes. Es ist ein weiterer Schritt in Richtung einer Nachhaltigkeitsunion, denn die Europäische Union – und das ist ein wichtiger Punkt – setzt zunehmend Standards, die zu globalen Richtungs­wei­sern werden: in der Umweltpolitik, bei den Grundrechten, beim Konsumenten­schutz. (Abg. Strache: Die Beneš-Dekrete zum Beispiel, ja!)

Eine neue eigene Rechtsgrundlage wird es auch für eine europäische Energiepolitik geben, denn nur durch ein geeintes Vorgehen kann sich Europa einerseits besser intern organisieren und andererseits besser auf den globalen Energiemärkten durch­setzen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein weiteres Zukunftsthema, für das uns der Reformvertrag wirksamere Werkzeuge in die Hand gibt, ist die innere Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Europa braucht im Kampf gegen Terrorismus (Abg. Strache: Offene Grenzen!), organisierte Kriminalität, Schlepperei und Menschenhandel noch mehr und bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit. (Abg. Strache: Und daher offene Grenzen!) Genau für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen bringt der Reform­vertrag schnellere Verfahren (Abg. Strache: Das ist sehr unschlüssig!) ohne Blockade­möglichkeit durch einzelne Staaten.

 


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