Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung / Seite 73

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Präsident in diesem Zusammenhang davor, „die Bürgerinnen und Bürger mit einer Mogelpackung für dumm zu verkaufen.“

In dieselbe Kerbe schlägt angesichts des vorliegenden Reformvertrages der ehemalige italienische Premierminister Giuliano Amato, wenn er ironisch feststellt: „Wenn bei der Regierungskonferenz auch so ein Dokument herauskommt, kann jeder Regierungschef zu seinem Parlament sagen: Seht her, das ist absolut unlesbar, ein typischer Brüsseler Vertrag, nichts Neues, kein Referendum notwendig.“ (EU-Observer 16. Juli 2007)

Im Vordergrund europäischer Politik stehen derzeit somit die Aufgaben einer Krisen­feuerwehr, die durch Korrekturen, die bestenfalls den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Mitgliedstaaten darstellen, versucht, die eine Krise vor dem Aufkeimen der nächsten zu beenden.

Eine ernsthafte Debatte über die Zukunft der EU ist daher dringend notwendig. Dabei steht immer wieder die Option eines „Kerneuropas“ in Diskussion, wie unter anderem vom ehemaligen Kommissionspräsidenten Prodi angedacht. Bestätigt wird diese Sicht der Dinge, wenn im Il Messaggero nach dem Kompromiss über einen EU-Reform­vertrag zu lesen war, dass „eine EU der zwei Geschwindigkeiten unvermeidlich wäre.“

Nicht zuletzt bestätigte der luxemburgische Regierungschef Juncker die Richtigkeit unseres Weges, der am 6. November 2007 unter Anspielung auf das einseitige Aus­scheren Großbritanniens aus einzelnen Politiken der Europäischen Union, unmiss­verständlich erklärt, dass es um einen Kern von EU-Ländern herum Umlaufbahnen geben sollte, auf denen Länder Platz nehmen können sollten, die nicht alle Politiken voll mitgestalten wollten. „Gehe man einen solchen Entwicklungsweg nicht, werde es in der EU irgendwann einen Crash geben,“ stellt er sogar die Zukunft dieser Euro­päischen Union im Falle der Fortsetzung des derzeitigen Kurses der kleinen Korrek­turen in Frage.

Die Weiterentwicklung Europas muss von einem Ausbau von Demokratie und Bürger­rechten geprägt sein. Mehr Gemeinsamkeit in Europa darf niemals weniger Freiheit für seine Bürger bedeuten. Regelungsdichte und Bürokratie sind abzubauen, anstatt sie auf supranationale europäische Ebenen zu verlagern. Im Sinne der Verwirklichung und Umsetzung dieser Ideen ist es erforderlich, den bestehenden Rechtsbestand sowie die Strukturen und Mechanismen der Union auch generell zu überdenken und neue Formen der Integration zu entwickeln. Kosmetische Änderungen können diesen Anfor­derungen nicht gerecht werden.

Im Sinne eines Europas für und nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger sowie im Interesse des Friedensprojektes Europa stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundeskanzler sowie die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten werden aufgefordert, sich auf Europäischer Ebene, bei den Euro­päischen Räten sowie den entsprechenden Fachministerräten für die Umsetzung nach­stehender Maßnahmen im Interesse eines auf Frieden und Wohlstand abzielenden Europas der Bürgerinnen und Bürger einzusetzen:

Neuverhandlung eines Vertrags für Europa in Hinblick auf eine vollständige institu­tionelle und (kompetenz-) rechtliche Reform der Europäischen Union mit dem Ziel der Schaffung eines Bundes Europäischer Staaten (Kerneuropa der Nettozahler) unter Teilnahme Österreichs

 


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