Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung / Seite 82

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Ratifizierung des Vertrages auf nationaler, österreichischer Ebene geben müßte, weil der Vertrag eine grundlegende Änderung der österreichischen Bundesverfassung bewirken würde, nein, die Kritik beispielsweise von Prof. Karl Alb-recht Schacht­schneider geht so weit, daß dieser EU-Reformvertrag überhaupt un-vereinbar mit den Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung ist, zumal bedenkenswert ist, ob durch politische Staatsverträge eine Gesamtänderung der Bundesverfassung überhaupt zulässig ist. Diese Bedenken äußert der renommierte Experte für öffent­liches Recht Prof. Schachtschneider auch in einem von der FPÖ in Auftrag gegebenen Gutachten, welches in sechs Punkten darlegt, warum eine Volksabstimmung über den Reformvertrag in Österreich erforderlich ist und eine grundlegende Kritik am Vertrag darlegt:

1. Vereinfachtes Änderungsverfahren

Die Einrichtung des „vereinfachten Änderungsverfahrens“ durch Art. 33 Abs. 6 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) ist eine „Gesamtänderung der Bundes­verfassung“ im Sinne des Art. 44 Abs. 3 B-VG, die „einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen“ ist. Nach Art. 33 Abs. 6 EUV kann der Europäische Rat durch Beschluß nach Anhörung des Europäischen Parlamentes und der Kommission sowie, bei institutionellen Änderungen im Währungsbereich der Europäischen Zentral­bank, auf Initiative der Regierung jedes Mitgliedstaates, des Europäischen Parlaments und der Kommission einstimmig „die Änderung aller oder eines Teils der Bestim­mungen des Dritten Teiles des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ beschließen. Dieser Dritte Teil umfaßt alle wichtigen Politiken der Union außer der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Beschluß tritt zwar nach Unterabs 2 S. 3 des Art. 33 Abs. 6 EUV „erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft“, aber der Beschluß ist kein „politischer Staatsvertrag“ im Sinne des Art. 50 B-VG, welcher der Zustimmung des Nationalrates und gegebenenfalls des Bundesrates und der Ratifi-kation durch den Bundespräsidenten (Art. 65 Abs. 1 B-VG) bedarf. Die Gesetzgebungsorgane Öster­reichs müssen somit an dem Verfahren nicht beteiligt werden. An diesen Änderungen wirkt für Österreich, wie dargelegt, maßgeblich nur der Bundeskanzler mit, weil der Europäische Rat einstimmig entscheiden muß. Das vereinfachte Änderungsverfahren ist der Sache nach eine Diktaturverfassung, die kaum noch einen demokratischen Rest aufweist.

2. Generalermächtigung zur Mittelbeschaffung

Der Reformvertrag hat trotz des Maastricht-Urteils, das der großen Generalklausel, der Kompetenz-Kompetenz des Art. F Abs. 3 EUV (Art. 6 Abs. 4 EUV bisherige Fassung) die rechtliche Verbindlichkeit (zur Rettung des Maastricht-Vertrages) abgesprochen hat (BVerfGE 89, 155 (196 f.)), in Art. 269 Abs. 1 im Vertrag über die Arbeitsweise der Union (VAU) eine fast gleichlautende Bestimmung beibehalten, diese allerdings in den Titel II des Fünften Teils, der die Finanzen der Union regelt, gestellt, also auf Mittel zur Finanzierung des Haushaltes der Union begrenzt. Jetzt aber wird ein Verfahren für die Umsetzung dieser Generalermächtigung eingeführt, das an der rechtlichen Verbind­lichkeit der Ermächtigung nicht mehr zu zweifeln erlaubt. Nach Absatz 3 Unterabsatz 1 nämlich erläßt der Rat einen Beschluß, den er einstimmig nach einem besonderen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Europäischen Parlaments faßt, mit dem die Bestimmungen über das System der Eigenmittel der Union festgelegt werden. Dieser Beschluß kann neue Kategorien von Eigenmitteln einführen, aber auch beste­hende Kategorien abschaffen. Die neuen Kategorien von Eigenmitteln können und werden auch europäische Steuern sein.

 


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