Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung / Seite 83

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3. Flexibilitätsklausel

Die Flexibilitätsklausel des Art. 308 Abs. 1 VAU ermöglicht es der Union, zur Verwirk-lichung der überaus weit gesteckten Ziele der Verträge durch Vorschriften des Rates auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments „im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche“ tätig zu werden, auch wenn die Verträge die dafür erforderlichen Befugnisse nicht vorsehen. Auf dieser Grund­lage kann sich die Union so gut wie jede Befugnis verschaffen, ohne daß die Mitgliedstaaten dem zustimmen müssen. Letztere können lediglich ihre (kläglichen) Einwendungen aus dem Subsidiaritätsprinzip zur Geltung bringen (Absatz 2). Diese Kompetenz-Kompetenz geht deutlich über die bisherige Generalklausel des Art. 308 im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) hinaus, welche auf die Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes beschränkt war. Lediglich Harmonisie­rungs­verbote dürfen durch die Vorschriften nicht überspielt werden (Absatz 3) und die Verwirklichung von Zielen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik darf nicht auf diesen Artikel gestützt werden (Absatz 4).

4. Bundesstaatliche Zuständigkeit

Obwohl der Reformvertrag nicht mehr wie der gescheiterte Vertrag über eine Verfas­sung für Europa von „Verfassung“ spricht, um nicht deutlich werden zu lassen, daß mit dem Integrationsschritt des Reformvertrages ein Staat verfaßt wird, macht der Reformvertrag doch den Schritt vom Staatenverbund zum Bundesstaat, zum euro­päischen Unionsstaat. Das erweist (abgesehen von den staatsmäßigen weiten Auf­gaben und Befugnissen der Union) die neue Zuständigkeitsordnung der Artikel 2 bis 6 VAU.

5. Vorrang der Unionsrechts

Zum Reformvertrag gehören die Erklärungen der Regierungskonferenz, die Bestandteil des Reformvertrages werden und die Verbindlichkeit dieses Vertrages entfalten. Diese Erklärungen sind (je nach ihrem Inhalt) authentische Klärungen der Rechtslage der Europäischen Union. Die 27. Erklärung befaßt sich mit dem Vorrang des Unionsrechts vor dem Recht der Mitgliedstaaten. Sie lautet:

„Die Konferenz weist darauf hin, dass die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedin­gungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben.“

6. Verlust der „immerwährenden Neutralität“

Der Reformvertrag entwickelt die Sicherheits- und Verteidigungsunion deutlich weiter. Zum einen schafft der Reformvertrag, wie unter Punkt 4 dargelegt, einen Bundesstaat. Dieser Bundesstaat beendet die immerwährende Neutralität Österreichs.

Aufgrund dieser nüchternen rechtlichen Fakten stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regie­rungsvorlage vorzulegen, die für die Ratifizierung des Vertrages zur Änderung des


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