Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll38. Sitzung / Seite 195

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18.14.05

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Wenn Baukultur in Österreich oder auch in Europa diskutiert wird, fällt sehr oft Vorarlberg als positives Beispiel auf. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.) Ausgehend von der Auer Zunft, die um 1615 gegründet wurde, bestimmten ab diesem Zeitpunkt zahlreiche Baumeisterfamilien vor allem aus dem Bregenzer Wald die sakrale Architektur des Bodenseeraumes und seiner Umgebung.

Der heutige Stellenwert der Architektur in Vorarlberg liegt zu einem überwiegenden Teil in den Leistungen von Einzelpersonen begründet. Hier sind sicherlich die Architekten Untertrifaller, Baumschlager, Eberle oder auch der bekannte Hermann Kaufmann zu erwähnen.

Die Entwicklung in den letzten 40 Jahren hat eine unübersehbare Dichte hervor­ragender Alltagsbauten mit sich gebracht. Auf der anderen Seite schaffte es gerade die Baukultur, Gäste anzulocken, was das Gemeinschaftsprojekt „Architektur macht Gäste“ von Wirtschaftsministerium, Vorarlberg Tourismus und anderen zeigt. So sind laut Vorarlberg Tourismus Büro zirka 20 000 Nächtigungen auf Architekturreisende im Ländle zurückzuführen.

Seit den neunziger Jahren wird dem Ländle in der europäischen Fachwelt viel Auf­merk­samkeit zuteil. Ein Beispiel: In Frankreich hat die Ausstellung „Konstruktive Provokation – Neues Bauen in Vorarlberg“ einen großen Ansturm ausgelöst. Über 40 000 Personen allein in Frankreich haben die Ausstellung des französischen und des Vorarlberger Architekturinstituts besucht. Viele wollten sich im Anschluss daran ihr eigenes Bild von der Region machen, um der Frage nach dem Wie und Warum vor Ort nachzugehen.

Neben weiteren Stationen in Österreich, Deutschland, Luxemburg, Norwegen und Dänemark wird die Ausstellung nun auch in Spanien zu sehen sein. Architektur als Marke wird zum Exportartikel. Was ist das Erfolgsrezept? – Ich bin der Meinung, es liegt zu einem großen Teil an der Vorarlberger und im Besonderen der Bregenzer­wälder Mentalität. Dies umschrieb der Schriftsteller und Fotograf Gebhard Wölfle Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Sinnspruch:

„Meor ehrod das Ault, und grüssed das Nü, und blibot üs sealb und dr Hoamat trü.“ (Abg. Dr. Brinek: Was heißt das? Bitte um Übersetzung!)

Was für die Nicht-Alemannen im Saal übersetzt bedeutet: Wir ehren das Alte und begrüßen das Neue, wir halten uns selbst und der Heimat die Treue.

Ein weiterer Erfolgsfaktor war die frühe Zuwendung zum Thema Nachhaltigkeit in der Baukultur. Der sparsame Umgang mit den Ressourcen in der Vorarlberger Baukunst hängt auch stark mit der Holzbaukunst zusammen. Einfache, konstruktiv gedachte Grundrisse und Materialisierungen zeichnen die zeitgenössischen Bauten aus. Sie bilden aber auch das Bindeglied zur Tradition, denn dieser bewusste Umgang mit vorhandenen Mitteln ist schon im traditionellen Bregenzerwälder-Haus ablesbar und besticht noch heute. (Abg. Dr. Haimbuchner: Gibt’s die Broschüre zu kaufen?)

Bei den Empfehlungen des Baukulturreports, sosehr dieses Werk auch zu schätzen ist, kommen die Wörter „verbindlich“, „zwingend“, „verbindende“ und „verpflichtende“ viel zu oft vor. Es sind nicht steuerliche Anreize, Auflagen bei Vergabeverfahren, sondern der Wille auf beiden Seiten – bei den Architekten und den Baumeistern auf der einen Seite und bei den Bauherren auf der anderen Seite. Viele Bauherren in Vorarlberg haben das Gefühl, dass es mit Architekten besser und schneller geht.

 


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