Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll40. Sitzung / Seite 86

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Diese Union kann sich noch so sehr bemühen – mit Ihnen natürlich im Verbund – und schöne Vokabel daherbringen, wie zum Beispiel den Begriff der Sozialunion – das klingt ganz toll –, aber auch das ist alles nur Blendwerk. Das sind Dinge, denen man als gelernter Europäer nicht vertrauen darf – anders kann man das nicht bezeichnen. Man kann dieser Europäischen Union viel vorwerfen, aber sicher nicht, dass sie sozial ist, und sicher nicht, dass sie die Absicht hat, sich in Zukunft sozial zu gestalten. (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Es ist ganz einfach zu erklären, warum das so ist: Es gibt nämlich so etwas wie einen genetischen Defekt in dieser Europäischen Union. Der besteht darin, dass die treiben­den Kräfte in Brüssel davon ausgehen, dass ausgerechnet die Mechanismen des frei­en Markts, des ungehinderten Wettbewerbs, des Ellbogen-Neoliberalismus jene Ele­mente sein sollen, die eine Harmonisierung der Sozialsysteme herbeiführen. Na, gute Nacht, kann man da nur sagen. Die Begriffe, die da im Zentrum stehen, zeigen ja ein­deutig, was die Nummer eins ist: Wirtschaftswachstum um jeden Preis, Wettbewerbs­fähigkeit, Standortvorteile. Darum dreht sich alles, und alles andere ist diesen Prinzi­pien gnadenlos unterzuordnen.

Herr Barroso hat es ja sehr schön in einem Bild veranschaulicht, indem er gesagt hat: Die EU hat drei Kinder, das erste ist die Wirtschaft – das merkt man ohnehin jeden Tag –, das zweite ist die Umwelt – davon haben wir hier noch nicht viel mitbekommen, wenn man sich die jüngsten Entwicklungen anschaut – und das dritte soll das Soziale sein. Und dann hat er gesagt: Wenn es der Wirtschaft schlecht geht, dann muss man sich um dieses eine kranke Kind kümmern und darf sich nicht bei den anderen verzet­teln. – Die anderen sind die Umwelt und der Sozialbereich. Da darf man sich also nicht verzetteln und zu lange herumtreiben.

Jetzt frage ich mich schon: Wann geht es denn der Wirtschaft so gut, dass es ihr gut genug geht? – Niemals geht es der Wirtschaft so gut, dass es ihr gut genug geht und dass diejenigen, die die Gewinne einfahren, dann tatsächlich auch mit dem, was sie er­reicht haben, zufrieden sind. Von einem Stiefkind kann man also im Bereich der Sozial­politik für diese Europäische Union nur reden.

Wenn es nach der EU geht, dann werden wir in Zukunft nicht mehr arbeiten, um zu le­ben, sondern das wird sich umdrehen: Wir werden leben, um zu arbeiten. – Das ist vielleicht Ihre Vorstellung von einer sozialen Zukunft, unsere freiheitliche Vorstellung ist das nicht.

Und wenn es nach dieser Europäischen Union geht, dann ist das, was wir unter Voll­zeitbeschäftigung verstehen, ein Auslaufmodell und wird ersetzt durch eine Summe von Teilzeitbeschäftigungen und Ähnlichem. (Präsident Dr. Spindelegger gibt das Glo­ckenzeichen.) Auch beim Pensionsantrittsalter hat die EU die Absicht, nach oben zu gehen.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. In der Verfassung steht der Satz: Das Recht geht vom Volk aus. – Sorgen Sie dafür, dass dieses Prinzip umgesetzt wird – und nicht so, wie Sie es bisher machen, dass dem Volk das Recht ausgeht! (Beifall bei der FPÖ.)

10.20


Präsident Dr. Michael Spindelegger: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Scheib­ner. Ebenfalls 5 Minuten Redezeit. – Bitte, Sie sind am Wort.

 


10.20.43

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Herr Bun­deskanzler! Ich hoffe, die Lektüre ist nicht so spannend, dass Sie dem Verlauf der Na­tionalratssitzung nicht doch folgen könnten, denn ich glaube, es ist wichtig zu differen-


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