Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll42. Sitzung / Seite 164

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Ich bin kein Kinderarzt, aber Arzt, und ich weiß: Es gibt gerade in den Gesundheits­berufen kein Null-Risiko. Wenn ich einen Drogensüchtigen betreue, dann bin ich des­wegen kein Dealer. Wenn ich einen Alkoholiker betreue, bin ich deswegen kein Alkoholiker. Ich weiß, in diesen Grenzen der Medizin, in diesen Grenzen der Psycho­logie gibt es ein Risiko, und das sollte möglichst klein sein, aber es wird nie null sein. Wenn man ein Null-Risiko fordert, dann wird es dazu führen, dass man sich nur mehr auf Absicherung verlässt: Man legt einen Akt an, man zeigt an – und Anzeige bewirkt per se noch gar nichts.

Mir haben Vertreter der Kinderschutzgruppen Folgendes gesagt – und wir haben den Fall ja schon 2001 durchgespielt –: Wenn man eine strikte Anzeigepflicht vorsieht, passiert Folgendes: Es kommen die Kinder gar nicht mehr. Das heißt, sie brauchen gar nicht mehr anzuzeigen, denn es ist niemand da. (Abg. Ing. Westenthaler: Deswegen: Untersuchungspflicht! Zweiter Schritt ...!)

Ich habe mir die Mühe gemacht, mir die Zahlen aus Tulln herauszusuchen. (Der Redner hält eine Statistik mit dem Titel „Kinderschutzgruppen – Verteilung der Diagno­sen“ in die Höhe.) Ich bin nicht der Oberprofi der Nation, ich bin nicht der Ober­kinderschützer, aber schauen Sie sich diese Zahlen an! Sie sehen: Rot sind die bewiesenen Kindesmisshandlungen, grün das, was sich als keine Kindesmisshandlung erwiesen hat, und grau ist die Kurve der Misshandlungen, die fraglich sind.

Was ist zum Beispiel fraglich? Wenn ein Kind mit einer Verbrennung kommt, dann kann es sein, dass eine Suppe drübergelaufen ist, das muss aber nicht sein. Wie wollen Sie das dann je herausfinden? – Sie sind auf die Kooperation der Eltern ange­wiesen. Das heißt, die Anzeige nützt uns sehr oft nichts, sondern wir müssen schauen, dass die Konsequenz richtig ist. Und es nützt auch nichts, das Ganze nur auf das Strafrecht aufzubauen. Ohne Vertrauen der Eltern und ohne Vertrauen, dass die Leute überhaupt zum Arzt oder in die Kinderschutzgruppe kommen, werden Sie das nicht erreichen.

Uns hat damals 2001 Professor Höllwarth beraten, und der hat uns händeringend beschworen, keine generelle Anzeigepflicht zu machen, da so die Kinder wegbleiben würden.

Herr Abgeordneter Westenthaler, wenn Sie sagen, man muss dann jedes Kind vierteljährlich untersuchen, dann verbessert das leider gar nichts. Es verbessert meiner Meinung nach auch der ständige Ruf nach dem Strafrecht nichts. Wir brauchen viel mehr Prävention. Sowohl die Helfer als auch die Familien sind sehr oft überfordert, und wir müssen in die Konfliktfähigkeit der Eltern hineingehen und die Überfor­derun­gen in den Familien abbauen. Da sind zum Beispiel die Familienbetreuung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehr wichtig.

Herr Abgeordneter Westenthaler hat gesagt, der Wert des Kindes muss sich im Straf­recht wiederfinden. – Okay, es muss auch Strafe geben, aber nur eine Strafe zu verhängen und sich dann zurückzulehnen und zu sagen, wir haben viel getan, ist zu wenig. Wir müssen uns mit dem gesellschaftlichen Phänomen auseinandersetzen, dass man hinschaut statt wegschaut. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser zu Wort. 4 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.21.44

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Da die Justizministerin bereits gestern zu diesem Thema gesprochen hat, wäre es


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