Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 73

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rungsfraktionen, obwohl diese Frage relativ einfach ist. Vielleicht können Sie sie heute beantworten. Diese Frage lautet: Warum muss Österreich heute, am 9. April 2008, als achtes EU-Land diesen Vertrag ratifizieren? Es gibt dafür keine vernünftige Begrün­dung! Es gibt sie einfach nicht – außer Sie kriegen etwas dafür, Herr Bundeskanzler! Vielleicht kriegen wir einen Posten; Klubobmann Dr. Schüssel lacht vielleicht schon. Vielleicht kriegen wir einen warmen Händedruck, eine Umarmung des Kanzlers, einen Wangenkuss, ein Zwickerbussi. Ich weiß nicht, was Sie dafür bekommen, dass Sie heute als achtes Land diesen EU-Vertrag ratifizieren müssen – ohne dass ordentlich informiert worden ist, ohne dass die Bevölkerung darüber aufgeklärt worden ist und ohne dass es eine umfassende Diskussion dazu gegeben hat. Deshalb wollen wir heute diesen Vertrag zurückweisen! (Beifall beim BZÖ.)

Die ganze Sache wird durchgepeitscht. Am 28. Jänner 2008 gab es in der Präsidiale den „Sündenfall“: Überfallsartig hat man in der Präsidiale auf einmal gesagt: Jetzt müs­sen wir den EU-Vertrag ratifizieren! – und das ohne Begründung. Dann gab es lediglich vier Verfassungsausschüsse, die wir aufgrund der Vorgangsweise des Parlaments aus Protest verlassen haben. Nur vier Verfassungsausschüsse! Und siehe da, acht Wo­chen später wird dieser Vertrag hier durch das Hohe Haus gepeitscht. Und deswegen fragen wir Sie, warum das der Fall ist, denn es gibt nur einen Grund: Sie wollen offen­sichtlich das Volk ausbremsen!

Es gibt 15 000 beglaubigte Unterschriften aus Kärnten, und das sind nicht Unterschrif­ten, die auf der Straße irgendwie mit Listen gesammelt worden sind, sondern da sind über 15 000 Menschen auf das Amt gegangen, haben sich legitimiert und haben dort für eine Volksbefragung unterschrieben. (Abg. Dipl.-Ing. Klaus Huber Auer: Lächerli­che 5 Prozent!) Und plötzlich legen Sie diese Volksbefragung auf den 9. April, damit Sie diese Volksbefragungsinitiative unterlaufen können und damit die Menschen nicht mehr mitbestimmen können. Das ist schäbig, das ist nicht demokratisch, und das ist gegen die Volksmeinung in Österreich, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Bei­fall beim BZÖ.)

Aber es gibt auch ein generelles Unbehagen. Noch heute, noch am Tag der Ratifizie­rung, gibt es ein generelles Unbehagen, und zwar sogar von Seiten der Außenministe­rin, die noch heute, wie in den Zeitungen steht, sagt: Na ja, der Vertrag ist schon unle­serlich!, und sie werde sich dafür einsetzen, dass künftighin Verträge besser verständ­lich und leserlich sind. Sogar die Außenministerin sagt, dass dieser Vertrag unver­ständlich und schwer nachzuvollziehen ist.

Der Herr Dr. Gusenbauer hat auch Kritikpunkte angebracht und sagte, dass die Grund­rechtscharta nicht für alle Länder gilt; dass es da so manches Opting Out für andere Länder gibt, gefällt ihm auch nicht. Selbst die Befürworter dieses Vertrages üben Kritik daran. Da kann man ihn doch heute nicht einfach ratifizieren und damit über die Inter­essen der Menschen drüberfahren!

Ihr Grünen seid ja da besonders interessant: Was ist denn das, ein „kritisches Ja“, wie ich es gestern von der Frau Glawischnig gehört habe? (Abg. Dr. Glawischnig-Pies­czek: Wir denken an die Zukunft!) Frau Präsidentin, was ist denn ein „kritisches Ja“? Wenn Sie ein Auto kaufen, das nicht fährt, dann sagen Sie dazu auch ein „kritisches Ja“, in dem Sinne: Es fährt zwar nicht, aber es ist ein Ja!?

Mit diesem „kritischen Ja“ wird folgendes Problem aufgezeigt: Sie haben sich mit Ihrer Partei – die Spitze Ihrer Partei – von den Ursprüngen der Bürgerbewegung, aus denen Ihre Partei entstanden ist, schon lange entfernt, denn genau diese Bürgerinitiativen, mit


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