Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 72

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Aber noch viele andere Professoren haben in dieser Frage eine sehr deutliche Rechts­meinung eingenommen. Ja sogar der ehemalige Verfassungsgerichtshofpräsident Adamovich schreibt in seinem Gutachten an den Herrn Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer, dass es sich beim Reformvertrag um einen Beitritt zu einem neuen Vertrag, um einen Beitritt zu einer, wenn man so will, neuen Verfassung handelt – und selbst­verständlich hat man darüber eine Volksabstimmung abzuhalten.

Wir haben eine Volksabstimmung über den Beitritt zur Europäischen Union gehabt, bei welcher die Mehrheit der Österreicher ja gesagt hat. Damals gab es aber 15 Mitglieds­länder in der Europäischen Union, und seit damals hat sich vieles verändert. Die öster­reichische Bevölkerung ist nicht gefragt worden, ob sie eine Erweiterung der EU von 15 auf 27 Mitgliedsländer haben will. Die österreichische Bevölkerung ist auch nicht ge­fragt worden – und wird es auch jetzt nicht, wenn es nach Ihnen geht, nach Rot, Schwarz und Grün –, ob sie die österreichische Verfassung in ihrer Kernkompetenz ab­treten, aufgeben und nach Brüssel auslagern will, wodurch dann Österreich in vielen Bereichen nicht mehr eigenständig und souverän ist, nämlich in Bezug auf Politikfelder, wo Vetorechte verschwinden, wie zum Beispiel in den Bereichen Umwelt, Verkehr, Bil­dung und Forschung, die dann nicht mehr in unserer Souveränität liegen. Das heißt, Atompolitik und Gentechnik könnten uns dann zwangsverordnet werden. Um all das hat die österreichische Bevölkerung zu Recht Sorge, und das sollten wir ernst neh­men – und nicht die österreichische Bevölkerung verhöhnen, so wie Sie das tun! (Prä­sidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Sie verhöhnen Hunderttausende Bürger, die eine Petition unterschrieben haben und – ich komme schon zum Schluss meiner Ausführungen – auch jene zigtausend Men­schen, die in den letzten Wochen und auch erst gestern am Ballhausplatz für ihr Recht auf Durchführung einer Volksabstimmung demonstriert haben, das Sie ihnen heute verweigern und mit Füßen treten wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

10.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Ing. Westenthaler. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Die Abgeordneten der FPÖ stellen eine rot-weiß-rote Tafel mit der Aufschrift „,Österreich ist eine demokratische Repu­blik. Ihr Recht geht vom Volk aus.‘ Artikel 1 der Bundesverfassung.“ vor sich auf den Tisch. Zu Beginn seiner Rede stellt auch Abg. Ing. Westenthaler eine solche Tafel vor sich auf das Rednerpult.)

 


10.32.43

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren von der österreichischen Bundesregie­rung! Wir vom BZÖ versuchen heute, mit dieser Einwendungsdebatte sozusagen einen letzten Versuch zu starten – auf dem Flughafen würde man sagen, einen Last Call, Last Exit –, Sie zu überzeugen, dass das, was Sie heute tun, ein Fehler ist, vor allem Sie, meine Damen und Herren von den Fraktionen der Regierungsparteien. Deswegen wollen wir den Tagesordnungspunkt 1, den EU-Vertrag, von der Tagesordnung abset­zen, und wir hoffen, dass Sie das unterstützen, weil es gute Gründe dafür gibt. Wir wol­len einen Rückverweisungsantrag einbringen, um diesen Tagesordnungspunkt wegzu­bekommen.

Warum wir das wollen, ist ganz einfach: Es gibt eine einzige Frage, die heute kein ein­ziger noch so starker EUphoriker oder kein einziger Anhänger dieses Vertrages beant­worten konnte, weder die Außenministerin, noch der Bundeskanzler, noch die Regie-


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