Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 101

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Daher: Machen Sie die Kritiker dieses EU-Vertrages nicht schlecht, sondern nehmen Sie die Kritik ernst und lassen Sie es zu, dass die Menschen auch mitentscheiden kön­nen. (Beifall beim BZÖ.)

11.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Schüssel zu Wort. 15 Minuten Redezeit. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


11.43.02

Abgeordneter Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP): Hohes Haus! Es ist richtig, dass man Kritiker und Bürger immer ernst nehmen muss, ganz gleich, welche Argumente sie vor­bringen, aber ich glaube schon, dass Volksvertreter eine besondere Verantwortung ha­ben, welchen Kritiken sie eine Stimme geben. Ich sage schon auch sehr deutlich dazu: Das, was mich betroffen macht, ist die Sprache, die hier verwendet wird. Auf der einen Seite Patrioten und dort die Chaoten! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage Ihnen offen, das gefällt mir nicht, denn jeder von uns gewählten Volksvertre­tern sollte sich – und tut das auch aus voller Überzeugung – als Patriot empfinden und nicht als Chaot.

Allein diese Polarisierung ist ein Unglück, sage ich ganz offen. Ich halte genau das auch für die Gefahr bei einer Volksabstimmung: dass diese Polarisierung so zugespitzt wird, dass nur mehr Freund oder Feind gilt, dass es überhaupt keine Bunttöne, keine Grautöne, keine Differenzierung gibt. Ich sage ebenfalls ganz offen, weil immer wieder vom „Verfassungsputsch“ geredet wird: Wir haben eine österreichische Verfassung, wir halten uns an diese Verfassung. Wir beschließen heute im Rahmen unserer österrei­chischen Verfassung einen internationalen Vertrag und nichts anderes. Von einem Putsch kann überhaupt nicht die Rede sein, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Weiters die Frage der Todesstrafe. – Ich möchte hier schon sehr deutlich sagen, dass das, was hier gespielt wird, intellektuell unzumutbar ist. Ihr Zitat, Herr Abgeordneter Strache, ist ein wörtliches Zitat aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, und zwar Artikel 2 Abs. 2. Er ist als Zitat in die Erläuternden Bemerkungen zur Charta über­nommen worden. Übrigens haben Sie – FPÖ – genauso wie alle anderen Parteien die­ses Hauses dieser Europäischen Menschenrechtskonvention zugestimmt. Verunsi­chern Sie jetzt nicht die Bürger! Die Europäische Union hat die Todesstrafe abge­schafft, in Kriegs- und in Friedenszeiten, und dabei bleibt es. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und BZÖ.)

Weiters, seien Sie mir nicht böse: Was soll das, dass Sie Beißkörbe überreichen? (Abg. Strache: Maulkorb! Maulkorb gegenüber den Österreichern!) Das ist kein Maul­korb, nein, das ist ein Beißkorb für Hunde! – Wen, meine Damen und Herren, sollen der Bundeskanzler oder der Vizekanzler beißen? Welches Bild ist das? Wir sind Men­schen und keine beißenden Hunde, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und BZÖ.)

Was soll Ihr Schlusssatz „Gott schütze Österreich!“ im Jahr 2008, in dem wir an das Jahr 1938 erinnern? Wollen Sie damit gar den Eindruck erwecken, dass die Europäi­sche Union mit ihrer Einigung irgendetwas zu tun hat mit dem gewaltsamen „Anschluß“ Österreichs, durch die Nazi-Armee von innen und von außen unterstützt? Wenn ja, dann sagen Sie das bitte offen. – Wir weisen diesen Vergleich auf das Schärfste zu-


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