Nationalrat, XXIII.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 9. April 2008 / Seite 136

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

Präsidentin Dr. Eva Glawischnig-Piesczek: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Grossmann. 7 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Grossmann –: Wie ist das mit der In­flation von Volksabstimmungen in Österreich?)

 


13.52.40

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Regie­rungsmitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Scheibner, Ihre Argumentation heute hier heraußen passt überhaupt nicht mit dem von Ihnen in Aus­sicht gestellten Abstimmungsverhalten zusammen. Sie haben so viele Argumente für den Vertrag geliefert, dass es aus Ihrer Sicht fast unlogisch ist, heute nicht zuzustim­men, aber wir wissen ja: Sie vom BZÖ sind am Gängelband der Kärntner Regionalpoli­tik. Das ist eine Tatsache. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde von vielen inner- und außerhalb dieses Hauses alles Mögliche – auch alles Unmögliche – in diesen Vertrag hineininter­pretiert. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist die inflationäre Volksabstimmung!) Ich möch­te daher einmal mehr klarstellen, dass es bei der heutigen Abstimmung um nicht mehr und nicht weniger geht als um die Frage, ob man mit den bestehenden unzureichen­den und daher schlechten Verträgen weiterarbeiten muss oder ob wir uns gemeinsam eine neue und bessere Vertragsgrundlage geben, die eben besser geeignet ist, den Herausforderungen der Gegenwart und vor allem der Zukunft zu begegnen. Klimawan­del, grenzüberschreitende Kriminalität, die Herausforderung der internationalen Globa­lisierung, all das macht natürlich vor den Staatsgrenzen nicht halt; das kann nur in einem größeren Rahmen gelöst werden.

Damit die Europäische Union das leisten kann, was sich die Menschen von ihr erwar­ten – zu Recht von ihr erwarten –, ist es einfach notwendig, dass die EU eben auch noch mit 27 Mitgliedsstaaten entscheidungsfähig ist. Was die Mehrheitsentscheidun­gen anlangt, wurde wirklich eine faire Balance zwischen den großen und den kleinen Mitgliedsstaaten gefunden – und das kann einfach nur im Interesse Österreichs sein. Endlich wird das bestehende Rechtsstaatlichkeits- und Demokratiedefizit saniert – zu­mindest teilweise –, indem das Europäische Parlament dem Rat als Gesetzgebungsor­gan, und zwar in einem Großteil der Politikbereiche, gleichgestellt wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man bedenkt, dass die Europäische Union als reine Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde und in der Vergangenheit auch vorwiegend als solche agiert und damit zu Recht Unzufriedenheit und Kritik her­vorgerufen hat, dann muss man es umso mehr als Fortschritt würdigen, dass nun mit dem Vertrag von Lissabon ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer Sozialunion ge­setzt wird.

Ja, die EU ist noch keine Sozialunion – da brauchen wir uns gar nichts vorzumachen –, aber es wurde die primärrechtliche Disposition dafür gelegt, dass sie sich dorthin entwi­ckeln kann. Mit welcher Intensität und welcher Geschwindigkeit das geschieht, hängt natürlich ab von den künftigen Mehrheitsverhältnissen in den Mitgliedsstaaten sowie im Europäischen Parlament.

Durch den Vertrag von Lissabon werden jedenfalls soziale Marktwirtschaft und Vollbe­schäftigung als erklärte Ziele der künftigen EU-Politik festgelegt. In der Grundrechte­charta, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden erstmals soziale Grundrechte den klassischen Bürger- und Freiheitsrechten, wie wir sie in herkömmlichen Verfassun­gen, auch in unserem B-VG, kennen, gleichgestellt. Überhaupt ist es der große Mehr-


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite